Skip to main content

Full text of "Faires Streiten Lebendige Partnerschaft Wie Sie Konflikte besser lösen"

See other formats


Ratgeber Leben 

Partnerschaft 


GRAFE 

UND 

UNZER 


Copyrlghted mataria 


Faires Streiten 

lebendige 

Partnerschaft 


Wie Sie Konflikte 
besser lösen 


Ratgeber Leben 

Partnerschaft 


Oft sind es keine grundlegenden 
Meinungsverschiedenheiten, die zu 
erbitterten Streitigkeiten führen, 
sondern Unkenntnis fairer 
Kommunikation. 

Dieses Buch erklärt und beschreibt, 
worauf es in einem Gespräch ankommt. 
Mit vielen Übungen und Beispielen. 

Wichtiger Hinweis 

Dieser Ratgeber basiert auf den Erfah- 
rungen und Erkenntnissen aus zahl- 
reichen Seminaren der Autorin zum 
Thema Faires Streiten. 

Dennoch können nur Sie bestimmen, 
ob die empfohlenen Tips für Sie sinnvoll 
und durchführbar sind. 

Allein durch die Beachtung einiger 
Kommunikationsregeln lassen sich nicht 
alle Partnerschaftsprobleme lösen. In 
manchen über viele Jahre festgefahre- 
nen Paarkonflikten werden Sie profes- 
sionelle Hilfe brauchen. 

Sollten Sie beim Lesen des Buches oder 
während einer der Übungen unange- 
nehme Empfindungen haben oder mit 
Erinnerungen oder Bildern konfrontiert 
sein, die Sie belasten, suchen Sie bitte 
Rat bei einem Fachmann. 


Die Autorin 

Karin Mager, Diplompsychologin, geb. 
1952. Zuerst Ausbildung als Verlags- 
kauffrau, dann Zweiter Bildungsweg. 
Nach dem Studium in Hamburg 
zunächst tätig im Suchtbereich und der 
AIDS-Aufklärung. Seit 1990 freiberuf- 
liche Seminarleiterin mit dem Schwer- 
punkt Faire Kommunikation und 
Person lichkeitsentwieklung. 


Copyrighted material 


Faires Streiten - 

lebendige 

Partnerschaft 


Wie Sie Konflikte besser lösen 
Karin Mager 


GRAFE 

UND 

UNZER 


Copyrighted material 


Inhalt 


Ein Wort an Sie 


äßt sich lernen 


Wozu brauchen Sie Faires Streiten? 

8 

In welcher Situation sind Sie? 

8 

Kann man Streiten lernen? 

9 

Drei wichtiqe Fraqen vorweq 

11 

Stimmen die Voraussetzungen? 

11 

Wer hat das Problem? 

13 

Wie qehen Sie mit Ihren Bedürfnissen 

14 

um? 


Grundelemente des Fairen Streitens 

18 

Sich anderen mitteilen 

19 

Bedürfnisse ausdrücken 

22 


24 

Störendes Verhalten beschreiben 

29 

Keine Verhaltensanweisunqen qeben 

31 

Auf andere reaqieren 

32 

Auf Abwehr achten 

33 

Einfühlend zuhören 

35 

Faires Streiten in der Praxis 

43 

Wie Sie bei Konflikten vorqehen 

44 

Bedürfnis - oder Wertkonflikt? 

45 

Das faire Konfrontationsqespräch 

46 

Das partnerschaftliche Klärunqs- 


qespräch 

56 

Konflikte aufqrund verschiedener 


Wertvorstellunqen 

65 


2 


Copyrighted material 


Inhalt 


Fairness und Gefühle 70 

Wie gehen Sie mit Ihren eigenen 

Gefühlen um? 71 

Wie gehen Sie mit den Gefühlen 

anderer um? 72 

Ärger und Wut ausdrücken - 

oder besser nicht? 74 

Abreagieren und klären 77 

Konstruktive oder feindselige 

Aggression 79 

Indirekte Aggression 80 

Immer wieder: 

»Annäherungsversuche« 83 

»Zwiegespräche» zur Vertiefung der 
Beziehung 84 

Faires Streiten auf einen Blick 87 

Die wichtigsten Regeln und Begriffe 

von A bis Z 88 

Zum Nachschlagen 92 

Literatur 92 

Adressen, die weiterhelfen 93 

Register 94 

Impressum 96 


3 


Copyrighted material ■. 


Ein Wort an Sie 


Mein Interesse am Thema »Faires Strei- 
ten« entspringt eigener Betroffenheit, 
denn ich bin in einem Elternhaus aufge- 
wachsen, in dem ein äußerst destrukti- 
ver Streitstil üblich war. Auseinander- 
setzungen zwischen meinen Eltern 
endeten häufig in körperlichen Hand- 
greiflichkeiten. 

Meine Konseguenz aus diesen kindli- 
chen Erfahrungen war, Streit um jeden 
Preis zu vermeiden und meine Bedürf- 
nisse hintenanzustellen. Nach einigen 
mißlungenen Beziehungserfahrungen 
und eigener Therapie begriff ich, daß 
die Basis eines konstruktiven Streits ein 
gutes Selbstwertgefühl ist. 

Denn wer sich selbst abwertet, wertet 
auch andere ab - und setzt damit den 
Teufelskreis des Sichverteidigens, des 
gegenseitigen Anklagens und Beschul- 
digens in Gang, aus dem ich Ihnen in 
diesem Buch einen Ausweg zeigen 
möchte. 

Das Modell für »Faires Streiten« beruht 
auf dem Kommunikationskonzept der 
»Frauenkonferenz« nach Linda Adams 
und der »Familienkonferenz« nach Tho- 
mas Gordon, wie ich es in verschiede- 
nen Seminaren kennengelernt habe. 

Weil ich diesen Ansatz selbst als klar, 
hilfreich und respektvoll anderen Men- 
schen gegenüber erlebe, gebe ich ihn 
gern weiter. 


Daneben fließen Gedanken aus dem 
Konzept der »kreativen Aggression« von 
George R. Bach, einem amerikanischen 
Paartherapeuten, mit ein. Weitere für 
meine persönliche und berufliche Ent- 
wicklung wichtige Anstöße bekam ich 
durch Michael Paula, der mir half, mein 
Vertrauen in mich selbst zu finden. 
Professor Friedemann Schulz von Thun, 
bei dem ich meine Diplomarbeit schrieb, 
und Dr. Christoph Thomann verdanke 
ich die wichtige Erfahrung, wie berei- 
chernd es ist und wieviel Spaß es 
macht, mit Menschen zusammen zu 
sein, die offene und einfühlsame Kom- 
munikation nicht nur lehren, sondern 
leben. 

Zu einem Sprachproblem vorweg: Die- 
ses Buch richtet sich an Frauen und 
Männer. Da ich es sehr umständlich 
finde, immer gleichzeitig die weibliche 
und männliche Form zu verwenden, 
aber auch kein Geschlecht übergehen 
möchte, spreche ich abwechselnd von 
Ihnen und Ihrem Partner beziehungs- 
weise Ihnen und Ihrer Partnerin. Der 
Wechsel zwischen diesen beiden For- 
men erfolgt zufällig kapitelweise. 


4 


Copyrighted material 


Ein Wort an Sie 


Dieser Ratgeber ist, ähnlich wie ein 
kleiner Kursus, linear aufgebaut. 

Sie erfahren, wozu wir Faires Streiten 
brauchen, was die Voraussetzungen 
sind und welche Auswirkung es hat, wie 
Sie in Konfliktsituationen mit Ihren 
Bedürfnissen umgehen. 

Dann werde ich Ihnen die Grundele- 
mente fairer Kommunikation vorstellen. 
Zum einen, wie Sie sich anderen Men- 
schen mitteilen, nämlich: 

• wie Sie Ihre Gefühle und Bedürfnisse 
klar ausdrücken, 

• wie Sie es vermeiden, Ihren Partner 
zu bewerten und abzuwerten, 

• wie Sie störendes Verhalten beschrei- 
ben statt es zu bewerten. 

Zum anderen geht es um Ihre Reaktion 
auf andere Menschen: 

• woran Sie abwehrendes Verhalten 
erkennen, das heißt Verhalten, das nicht 
problemlösend ist, 

• wie Sie einfühlend zuhören. 

Darauf aufbauend lernen Sie verschie- 
dene Vorgehensweisen zur fairen Kon- 
fliktbewältigung kennen: 

• das Konfrontationsgespräch, 

• das partnerschaftliche Klärungsge- 
spräch, 

• den Umgang mit Wertkonflikten. 


In einem eigenen Teil des Buches wird 
das komplexe Thema »Fairness und 
Gefühle« mit seinen Auswirkungen auf 
die Praxis des Fairen Streitens ange- 
sprochen. 

Im letzten Teil des Buches, »Faires Strei- 
ten auf einen Blick«, finden Sie ein 
Glossar, das es Ihnen ermöglichen soll, 
sich später schnell wesentliche Punkte 
in Erinnerung zu rufen. 

Über Ihre Reaktionen auf diesen Rat- 
geber würde ich mich freuen. Aber jetzt 
erstmal viel Spaß beim Lesen! 

Karin Mager 


5 


Copyrighted material 


»Ein Paar, das eine Krise 
riskiert, hat plötzlich seine 
wesentliche Beziehung 
wieder. Jetzt kann es sich 
mitteilen - und verstehen. 
Vorteilhafter, als eine Krise 
zu bearbeiten, ist es natür- 
lich, sie gar nicht erst auf- 
kommen zu lassen. 

Das bedeutet: auch ohne 
Leidensdruck für sich tätig 
zu werden...« 

(Michael Lukas Moeller) 


Faires Streiten 
läßt sich lernen 


\ , 

Copyrighted image 


Wozu brauchen Sie 
Faires Streiten? 


Jede Partnerschaft bringt auch Proble- 
me mit sich und wird nicht über Jahre 
hinweg nur glücklich sein... 

Die besten Aussichten auf eine erfüllte, 
im besten Sinne des Wortes »lebendige« 
Partnerschaft haben jene Paare, die 
gelernt haben, Konflikte zu lösen, bevor 
sie ihnen über den Kopf wachsen. Sie 
deuten Krisen nicht als ein Zeichen 
dafür, daß man nicht zusammenpaßt 
und sich besser trennen sollte, sondern 
begreifen sie als Gelegenheit, ihre Be- 
ziehung durch die gemeinsame Bewäl- 
tigung von Problemen zu vertiefen. 
Faires Streiten schafft die Vorausset- 
zungen dafür, Konflikte wirklich zu 
lösen, statt Streitthemen endlos zu 
wiederholen oder sie im Untergrund 
schwelen zu lassen. 

Manche Menschen brauchen mehrere 
Anläufe in Partnerschaften, um dann 
schließlich zu einer reiferen Einsicht 
über Beziehungen zu kommen. Eine 
Frau zu Beginn ihrer dritten Ehe: »Es 
gibt nicht endlos viele gute Partner für 
mich, wohl aber mit jedem immer wie- 
der ein Problem. Nämlich: Die nächste 
Krise lauert bestimmt.. Diesmal will ich 
nicht davonlaufen, um mein bißchen 
Sieg zu feiern. Sieger soll diese dritte Ehe 
sein, die eine größere Chance hat, ein- 
fach weil wir reifen. Und in der Lage 
sind, eine Krise als Teil einer Beziehung 
zu begreifen...« (zitiert aus BRIGITTE, Nr. 

1 6 / 90 ) 

8 


In welcher Situation 
sind Sie? 

Womöglich sind es ähnliche Einsichten, 
die Sie auf dieses Buch neugierig 
machen. Ihre Ausgangssituation kann 
dabei unterschiedlich sein: 

• In Ihrer Partnerschaft »kracht« es 
häufig, beim Streiten fliegen die Fetzen. 
Es gibt dann wieder Versöhnungen, die 
eigentlichen Probleme werden aber nie 
wirklich gelöst. 

• Oder aber: In Ihrer Partnerschaft 
werden Konflikte »unter den Teppich 
gekehrt«. Sie leiden unter der Entfrem- 
dung, die daraus erwächst. 

• Sie sind zwar zufrieden mit Ihrer Part- 
nerschaft, suchen aber nach Wegen, 

Ihre Beziehung noch mehr zu vertiefen 
und sie lebendiger zu gestalten. 

• Oder Sie haben zur Zeit keinen Part- 
ner oder keine Partnerin, möchten aber 
Ihre Kommunikations- und Konflikt- 
fähigkeit verbessern - vielleicht als Vor- 
bereitung für das »nächste Mal«. 

Die Regeln des Fairen Streitens lernen 
Sie in diesem Buch am Beispiel von 
Paarkonflikten kennen. Diese Fair- 
Streit-Regeln können Sie jedoch nicht 
nur in einer Partnerschaft, sondern 
tagtäglich überall brauchen - mit 
Kindern, Freunden, Nachbarn und am 
Arbeitsplatz. 


Copyrighted material 


Wozu brauchen Sie Faires Streiten? 


Kann man Streiten lernen? 

ln welcher Situation Sie sich auch 
befinden mögen, dieser Ratgeber soll 
Ihnen helfen, Wege zu finden, wie Sie 
auch in schwierigen Situationen auf 
konstruktive Weise miteinander reden 
und Konflikte lösen können. 

Hierfür genügen nicht allein der gute 
Wille und die gute Absicht. Denn natür- 
lich meinen wir es nur gut, wenn wir 
unserem Partner sagen, was wir bei ihm 
an Fehlern wahrnehmen und was wir 
meinen, daß erverändern müßte. Doch 
so funktioniert Kommunikation und 
Veränderung nicht. Ich vermute, nicht 
allzu viele von uns hatten das Glück, in 
einer Familie aufzuwachsen, in der es 
gute Vorbilder zum Erlernen offener 
und fairer Kommunikation gab. So 
spüren wir zwar oft, daß etwas schief- 
läuft in der Auseinandersetzung mit 
unserem Partner, wissen aber noch lan- 
ge nicht, wie wir es anders und besser 
machen könnten. 

So hilft Ihnen dieses Buch 

Ein Anliegen dieses Ratgebers ist es 
deshalb, nicht das Warum zu ergründen 
- also die psychologischen Ursachen 
von Paarkonflikten zu untersuchen -, 
sondern Ihnen anhand vieler Beispiele 
Hilfen zu geben, das Wie zu verändern, 
Ihnen Wege zu zeigen, wie Sie anders 

9 


miteinander reden können. Dazu gehört, 
daß es hier nicht darum gehen wird, wie 
Sie Ihren Partner, sondern wie Sie Ihr 
eigenes Kommunikationsverhalten ver- 
ändern können. Obwohl Ihnen solch ein 
einseitiges Vorgehen auf den ersten 
Blick unsinnig erscheinen mag (sind wir 
doch häufig überzeugt, daß das Pro- 
blem vor allem beim anderen liegt) - 
wenn Sie damit beginnen, Ihren Streit- 
stil zu verändern, werden Sie beobach- 
ten, wie positiv sich das auf Ihre Part- 
nerschaft auswirkt. Am besten wäre es 
natürlich, Sie würden dieses Buch 
zusammen mit Ihrem Partner lesen, 
darüber sprechen und gemeinsam neues 
Streitverhalten ausprobieren. 

Der Umgang mit diesem Buch 

Sie finden in diesem Ratgeber viele 
konkrete Anleitungen und Beispiele für 
Faires Streiten. Natürlich ist das Leben 
komplex und Kommunikation läßt sich 
nicht mit einfachen Rezepten verän- 
dern. Doch da sich viele Menschen nur 
schwer vorstellen können, wie sie ihre 
Gefühle und Empfindungen, Wünsche 
und Kritik anders als sonst ausdrücken 
können, möchte ich Ihnen anschauliche 
Hilfen geben für einen neuen Streitstil. 
Sie werden anhand der dargestellten 
Dialoge sehen, daß es in ganz unter- 
schiedlichen Situationen - keineswegs 
nur, wenn Sie gerade ganz entspannt 


Copyrighted material 


Wozu brauchen Sie Faires Streiten? 


und gelassen sind - möglich ist, fair zu 
streiten. Oft ist es ein einziger Satz, in 
dem Sie nicht anklagen, sondern versu- 
chen, Ihren Partner zu verstehen, der 
einem Streit eine positive Wendung 
gibt. 

Bei aller Einfühlung für den anderen 
geht es jedoch nicht darum, Ihre Spon- 
taneität zu dämpfen oder Sie zum » La i - 
en-Therapeuten« zu machen, sondern 
darum, wie Sie sich klar und selbstbe- 
wußt ausdrücken - ohne künstlich 
engelhafte Stimmlage, aber mit Ach- 
tung für unser aller Verletzlichkeit. 

Streiten - eine Sache des Gefühls 
oder des Verstands? 

Um konstruktiv miteinander streiten zu 
können, müssen wir verschiedene 
Fähigkeiten er-lernen und manche 
Gewohnheiten ver-lernen. 

Einige Menschen haben eine großartige 
Fähigkeit, sich vernünftig und sachlich 
mit anderen auseinanderzusetzen, fin- 
den aber nur schwer Zugang zu ihren 
Gefühlen. Andere neigen dazu, bei Kon- 
flikten zuerst einmal ihr eigenes Verhal- 
ten in Frage zu stellen, und fühlen sich 
dann oft minderwertig und deprimiert. 
Sie müssen lernen, Ärger und Wut auf 
jemand anderen überhaupt erst einmal 
zu spüren und in einem geschützten 
Rahmen (zum Beispiel einer therapeuti- 
schen Gruppe) auszudrücken. Wieder 

10 


andere Menschen haben eher Probleme 
damit, allzu schnell gereizt, ärgerlich 
und irrational zu reagieren. 

Wie wir miteinander streiten ist eine 
komplexe Angelegenheit, an der viele 
Gefühle und Bedürfnisse beteiligt sind, 
die häufig nicht offengelegt und den 
Beteiligten auch gar nicht bewußt sind. 
Ich werde im dritten Teil dieses Buches 
einige Plinweise hierzu geben. 

Der Schwerpunkt dieses Ratgebers 
ist die verbale Verständigung. Denn 
faires Streiten heißt vor allem, wie 
bewältigen wir Konflikte, wenn der 
erste Sturm der Emotionen sich 
gelegt hat. Probleme werden ja 
nicht durch Wutausbrüche und 
Tränen gelöst, sondern nur in einem 
Gespräch, bei dem zwei Menschen 
bereit sind, offen miteinander zu 
reden, sich gegenseitig zuzuhören 
und ineinander einzufühlen, um 
dann gemeinsam eine Lösung zu 
finden. 


Copyrighted material 


Drei wichtige 
Fragen vorweg 


Drei wichtige Fragen sind vorweg zu 
klären, damit Sie beim Fairen Streiten 
nicht in eine Sackgasse geraten: 

1. Sind die Grundvoraussetzungen für 
Faires Streiten gegeben? 

2. Um wessen Problem geht es ? 

3. Wie gehen Sie mit Ihren Bedürfnissen 
um? 


Stimmen die Voraus- 
setzungen? 

Um Konflikte miteinander bewältigen 
zu können, ohne das Gefühl zu haben, 
immer wieder gegen eine Wand zu ren- 
nen, sollten drei Grundvoraussetzungen 
in Ihrer Partnerschaft gegeben sein: 




11 


Fairstreiten können nur zwei mit- 
einander, die bereit sind, 

• sich Zeit zu nehmen, um über 
Schwierigkeiten miteinanderzu 
sprechen, 

• sich aufeinander einzustellen und 
sich gegenseitig Bedürfnisse zu 
erfüllen, 

• eigenes Verhalten in Frage zu 
stellen und zu verändern. 


Sie müssen beide Interesse daran 
haben, sich aufeinander einzulassen 
und Ihre Beziehung zu vertiefen. 
Gewöhnlich ist diese Bereitschaft ge- 
koppelt mit der Zuneigung füreinander. 
Manchmal wehrt sich jedoch ein Part- 
ner dagegen, über Schwierigkeiten zu 
reden oder sich überhaupt für gemein- 
same Gespräche Zeit zu nehmen. »Strei- 
ten« ist für ihn mit so negativen Erfah- 
rungen in der Vergangenheit verknüpft, 
daß er sich nur äußerst ungern auf ver- 
bale Auseinandersetzungen einläßt. 


Copyrighted material 


Drei wichtige Fragen vorweg 


Sollte das in Ihrer Partnerschaft der Fall 
sein, beachten Sie bitte besonders das 
Kapitel »Indirekte Aggression« (Seite 80). 

Als zweite Voraussetzung brauchen Sie 
die beiderseitige Bereitschaft, sich auf- 
einander einzustellen und sich gegen- 
seitig Bedürfnisse zu erfüllen. 

Wenn Ihr Partner häufig zum Ausdruck 
bringt, daß ihm Ihre Bedürfnisse egal 
sind und er nicht auf sie Rücksicht neh- 
men will, fehlt die Basis für eine faire 
Auseinandersetzung und eigentlich 
auch für eine intime Beziehung. 

Da Sie im folgenden erfahren, wie Sie 
Ihre Bedürfnisse klar zum Ausdruck 
bringen, werden Sie sich über diesen 
Punkt vielleicht schneller als bisher 
klarwerden. 

Zum dritten Punkt: Ohne die Bereit- 
schaft, bei sich selbst anzufangen, kann 
es in einem Konflikt keine Fortschritte 
geben. Solange Sie glauben, nur der 
andere sei schuld und müsse sich 
ändern, werden Sie Mühe haben, ihm 
zuzuhören, ohne anzuklagen. Genauso 
wird es Sie erbittern, wenn Ihr Partner 
vorwiegend beschuldigend reagiert. 
Statt sich nun darüber zu streiten, 
wer anfangen sollte mit der Verände- 
rung, fangen Sie einfach bei sich selber 
an. 


Grenzen des Fairen Streitens 
in der Partnerschaft 

Wir haben bereits festgestellt: Paare, 
die Konflikte aktiv angehen, haben die 
besten Aussichten auf eine glückliche 
Partnerschaft. Doch in jeder Beziehung 
entwickeln sich schon zu Beginn Reak- 
tionsmuster, die sich im Laufe derZeit 
verfestigen und im schlimmsten Fall zu 
einem schwer aufzubrechenden Panzer 
aus Enttäuschung, Verbitterung und 
Wut werden. Wenn sich ein solches 
negatives Kommunikationsmuster erst 
einmal herausgebildet hat, ist es ziem- 
lich aussichtslos, es ohne Hilfe von 
außen zu verändern. Beziehungen, die 
schon durch endlose Grabenkämpfe 
vergiftet sind, brauchen fachkundige 
Unterstützung, um das Geflecht gegen- 
seitiger Schuldzuweisungen und Ankla- 
gen zu entwirren. Verfallen Sie nicht 
dem Irrglauben, es würde mit der Zeit 
schon besser werden! 

Zeigt Ihr Partner also über lange Zeit 
keine Bereitschaft zum Gespräch oder 
zur Veränderung problematischen Ver- 
haltens, stellen Sie sich doch einmal die 
Frage, was Sie in dieser Partnerschaft 
bekommen: Ist es wirklich genug, um 
die Aufrechterhaltung einer 
(Schein)Beziehung zu rechtfertigen? 
Faires Streiten kann Ihnen hier helfen, 
Ihr Selbstbewußtsein zu entwickeln, um 


12 


Copyrighted material 


Drei wichtige Fragen vorweg 


sich für Ihre Bedürfnisse und eine 
befriedigende Beziehung einzusetzen - 
oder die unumgänglichen Konsequen- 
zen zu ziehen. 

Wer hat das Problem? 

Häufig neigen wir dazu, uns die Proble- 
me anderer Menschen zu eigen machen 
und für sie lösen zu wollen. Deshalb ist 
es wichtig zu unterscheiden zwischen 
Problemen, die wir haben und Proble- 
men, die andere haben. So erhalten Sie 
Klarheit darüber, welche Themen »ech- 
te« Streitthemen sind, die Sie miteinan- 
der auszufechten haben. 

Ihre Partnerin hat das Problem , wenn 
ihr Verhalten vermuten läßt, daß ihre 
Bedürfnisse nicht befriedigt sind. Auch 
wenn Sie helfen möchten, ist es wich- 
tig, daß Sie sich bewußt darüber blei- 
ben, daß Ihre Partnerin ihr Problem nur 
für sich selbst lösen kann. 

Beispiel: 

Ihre Freundin arbeitet in einem Büro und 
hat viel Streß mit ihrem Vorgesetzen. Sie 
kommt oft völlig entmutigt nach Hause. 
Sie würden ihr gern helfen. 

Sie haben das Problem , wenn Sie das 
Verhalten Ihrer Partnerin an der Befrie- 
digung eines Ihnen wichtigen Bedürf- 
nisses hindert und Sie darüber ärgerlich 

13 


oder traurig sind und eine Änderung 
ihres Verhaltens wünschen. 

Beispiel: 

Sie haben Ihren Mann gebeten, um 
19 Uhr nach Hause zu kommen, um die 
Betreuung der Kinder zu übernehmen 
und Ihnen den Wagen zu überlassen, 
weil Sie einen Fortbildungskurs besu- 
chen möchten. Er kommt erst gegen 
halb acht. 

Bitte beachten Sie, daß es nicht darum 
geht, ob das geschilderte Verhalten 
»gut« oder »schlecht« ist (was sich oft 
in Bewertungen wie »Auf dich ist kein 
Verlaß« oder »Du bist rücksichtslos« 
ausdrückt). Wichtig ist, ob Ihre Bedürf- 
nisse befriedigt werden. 

Die Unterscheidung, werdas Problem 
hat, ist nötig, da sich daraus verschie- 
dene Verhaltensweisen für Sie ergeben: 
• Wenn Ihre Partnerin ein Problem hat, 
das Sie selbst nicht unmittelbar berührt, 
helfen Sie am besten mit Verständnis, 
ausgedrückt durch einfühlendes 
Zuhören (wie Sie das machen, werde ich 
später ausführlich darstellen), und 
indem Sie darauf vertrauen, daß sie das 
Problem lösen wird, wenn die Zeit reif 
ist. Sie brauchen also Geduld, ansonsten 
laufen Sie Gefahr, das zu tun, wovor 
Dr. Marshall Rosenberg (Begründer des 
Zentrums für gewaltfreie Kommunika- 
tion) warnt: 


Copyrighted material 


Drei wichtige Fragen vorweg 


»Der schnellste Weg, wie man jeman- 
dem helfen kann, sich noch schlechter 
zu fühlen, ist, ihm helfen zu wollen, sich 
besser zu fühlen.« . 

• Wenn Sie ein Problem haben, für das 
Sie auf eine Verhaltensänderung Ihrer 
Partnerin angewiesen sind (oder umge- 
kehrt), also ein »Streitthema« haben, 
dann brauchen Sie das Know-how für 
Faires Streiten, das Sie in diesem Buch 
kennenlernen. 

14 


Wie gehen Sie mit Ihren 
Bedürfnissen um? 

Eine Schlüsselfrage des Fairen Streitens 
ist: 

• Wie wirkt sich das Verhalten anderer 
auf die Befriedigung Ihrer Bedürfnisse 
aus? Was tun Sie, wenn Sie sich in der 
Befriedigung eines Bedürfnisses beein- 
trächtigt fühlen? 

Wir haben verschiedene Möglichkeiten, 
wie wir in Konfliktsituationen mit unse- 
ren Bedürfnissen umgehen und uns für 
ihre Befriedigung einsetzen. 

Drei Tendenzen lassen sich beobachten: 

• resignativ 

• aggressiv 

• selbstbewußt 

Wenn Sie sich beobachten, werden Sie 
feststellen, daß Sie eine Grundtendenz 
haben, wie Sie mit Konflikten in Ihrer 
Partnerschaft umgehen. 

Ich will an einem Alltagsbeispiel diese 
drei unterschiedlichen Verhaltenswei- 
sen erläutern: 

Sie entspannen sich am Abend am lieb- 
sten bei klassischer Musik. Ihr Partner 
hört lieber Jazz und bezeichnet Ihre 
Musik als langweiliges Gesäusel. 

Wie verhalten Sie sich? 


Copyrighted material 


Drei wichtige Fragen vorweg 


Resignatives Verhalten 

Sie hören gemeinsam Jazz, obwohl es 
Sie nervt und Sie nicht dabei entspan- 
nen können. Innerlich grollen Sie und 
denken, daß er immer seinen Willen 
durchsetzt, sagen aber nichts. 

Sie sind schnell bereit, sich mit etwas 
abzufinden, auch wenn Sie sich damit 
nicht wohlfühlen. Sie sind deswegen oft 
frustriert und versteckt aggressiv, da Sie 
sich den Bedürfnissen anderer anpassen 
und Ihre eigenen Bedürfnisse nicht oder 
nur zaghaft ausdrücken. Langfristig 
schaden Sie Ihrer Beziehung, wenn Sie 
Ihre Gefühle und Wünsche nicht aus- 
drücken und Konflikte vermeiden, weil 
Sie sich dadurch Ihrem Partner ent- 
fremden und viel Groll ansammeln. Hin 
und wieder explodieren Sie, worauf Ihr 
Partner allerdings mit Unverständnis 
reagiert, da er gar nicht mitbekam, wie 
oft Sie zurückgesteckt haben. 

Resignatives Verhalten heißt, ich 
informiere andere nicht über meine 
Bedürfnisse, erwarte aber insge- 
heim, daß sie sie erfüllen und bin 
enttäuscht, wenn sie das nicht tun. 


Resignative Menschen argumentieren 
häufig so: »Wenn ich erst um etwas bit- 
ten muß, verzichte ich lieber darauf. Ich 
möchte, daß er/sie von sich aus spürt, 
was ich brauche.« Natürlich ist es sehr 
schön, wenn der andere manchmal 
genau das tut, was wir uns insgeheim 
wünschen. Wenn das jedoch zu einer 
Forderung an andere wird, übertragen 
Sie die Verantwortung für Ihr Wohlbe- 
finden auf Ihren Partner, und das wird 
nicht lange gutgehen. Unausgesproche- 
ne Erwartungen sind die Ursache für 
viele Frustrationen in Beziehungen. 

Aggressives Verhalten 

Sie sagen Ihrem Partner, der gerade 
dabei ist, eine neue Jazz-CD auf zu legen, 
daß er rücksichtslos und egoistisch ist 
und bestehen auf Ihrer klassischen 
Musik. Er reagiert gekränkt oder ver- 
ärgert. 

Sie setzen Ihre Bedürfnisse mit Macht 
durch und drücken sich dabei so aus, 
daß Ihr Partner sich gekränkt, verletzt 
und abgewertet fühlt. Sich mit Macht 
durchzusetzen geht immer auf Kosten 
der Beziehung, denn Ihr Partner wird 
offen oder insgeheim Groll ansammeln 
und nun seinerseits wahrscheinlich 
aggressiv oder resignativ reagieren. 


15 


Copyrighted material 


Drei wichtige Fragen vorweg 


Aggressives Verhalten resultiert 
letztlich aus der Angst, sich nicht 
auf andere Weise behaupten zu 
können, ist also im Grunde resigna- 
tiv - um nicht zu unterliegen, gebe 
ich gleich von vornherein eins drauf. 

Mit beiden Verhaltensweisen werten Sie 
Ihren Partner als ein kooperationsberei- 
tes Gegenüber ab - gewöhnlich jedoch 
nicht bewußt, sondern weil Sie es nicht 
anders können. Aggressives Verhalten 


ist genauso wie resignatives Verhalten 
ein gelerntes Verhaltensmuster, das wir 
uns schon früh in unserem Leben ange- 
eignet haben. 

Beide Verhaltensweisen - die aggressive 
wie die resignative Form - dienen dem 
Selbstschutz und mögen Ihnen in vielen 
Situationen tauglich erscheinen. Doch 
es gibt einen dritten Weg, der langfri- 
stig Ihre Partnerschaft mehr festigt, 
wenn er auf den ersten Blick auch als 
der schwierigste und riskanteste 
erscheint. 


16 


Copyrighted material 


Drei wichtige Fragen vorweg 


Selbstbewußtes Verhalten 

Sie erklären Ihrem Partner, daß Sie 
abends zur Entspannung lieber klassi- 
sche Musik hören möchten und finden 
in der Auseinandersetzung miteinander 
eine für Sie beide befriedigende Lösung. 
Zum Beispiel hören Sie abwechselnd 
einen Abend lang Jazz und dann einen 
Abend klassische Musik. Oder Sie sagen 
einander, welche klassische und welche 
Jazz-Musik für Sie akzeptabel ist und 
welche Sie nicht hören mögen. 

Selbstbewußtes Verhalten heißt, Sie 
wissen genau, was Sie wollen und 
setzen sich dafür ein, daß Ihre Bedürf- 
nisse befriedigt werden unter Respek- 
tierung der Bedürfnisse des anderen. 
Um Ihrer beider Bedürfnisse »unter 
einen Hut zu bringen«, verhandeln Sie 
bei Differenzen fair miteinander. 


Kleine Selbstbefragung 

Bevor Sie weiterlesen, überlegen Sie 
einmal kurz, als welchen Selbstbehaup- 
tungstyp Sie sich selbst einschätzen: 

• Sind Sie jemand, der (vor)schnell zu 
Zugeständnissen bereit und dann ins- 
geheim unzufrieden ist? 

• Ist es Ihnen selbstverständlich, so 
lange miteinanderzu verhandeln, bis 
Sie beide zufrieden sind? 

17 


• Ist es Ihr erstes Anliegen, andere 
zufriedenzustellen? 

• Nehmen Sie Ihre Gefühle von Un- 
wohlsein oder Ärger so wichtig, daß 
Sie sie auf jeden Fall Ihrem Partner mit- 
teilen würden? 

• Finden Sie, daß das viele Reden bloß 
Probleme schafft, statt sie zu lösen? 


Ausblick 

Hier schon einmal eine Zusammen- 
fassung der Kernpunkte fairer 
Kommunikation, um die es im 
folgenden immer wieder gehen 
wird: 

• Mein Anliegen in Ich-Aussagen 
statt in Du-Botschaften mitteilen 

• Meine Gefühle und Bedürfnisse 
ausdrücken 

• Auf Abwertungen meines Part- 
ners verzichten und stattdessen die 
Situation oder das Verhalten 
beschreiben, das mich stört 

• Mich mit Verhaltensanweisungen 
zurückhalten 

• Einfühlend zuhören 


Copyrighted material 


Grundelemente 
des Fairen Streitens 


Wahrscheinlich haben Sie selbst auch 
schon die leidvolle Erfahrung gemacht, 
wie aus einer alltäglichen Situation 
heraus plötzlich eine unerfreuliche Aus- 
einandersetzung entsteht. 

Beispiel: Der neue Teppichboden 
Christian und Dora befinden sich im 
Möbelhaus beim Aussuchen eines neu- 
en Teppichbodens. 

Er: »Ich bin für den Braunmelierten. Da 
sieht man keine Flecken, und braun ist 
so gemütlich.« 

Sie: »Um Gottes Willen! Was hast Du für 
einen Geschmack! Braunmeliert ist doch 
richtig bieder. Stell' Dir mal vor, wie das 
aussieht, die ganze Wohnung in dieser 
Farbe.« 

Er: »Ich weiß ja, daß Du das, was ich 
mag, grundsätzlich nie gut findest. Wel- 
chen willst Du denn?« 

Sie.: »Ich fände einen hellblauen Teppich 
sehr schön. Ich wollte schon immer mal 
so einen Teppich haben.« 

Er: »Flellblau?! Das ist doch total kalt 
Nein, so eine Farbe kommt nicht in 
Frage!« 

Sie: »Da kann man mal Wiedersehen, 
wie verschieden wir sind. Vielleicht soll- 
ten wir uns besser zwei getrennte Woh- 
nungen ein richten. Du in braunmeliert 
und ich in hellblau. Wäre doch lustig, 
oder?« 


Was ist hier schiefgelaufen? Ausgehend 
von einer scheinbar unverfänglichen 
Situation geraten Christian und Dora in 
einen Streit, in dem sie fast ihr Zusam- 
menleben in Frage stellen. Selbst wenn 
sie sich bald wieder versöhnen, wird die 
Frustration über die gegenseitige 
Abwertung nachwirken. 

Wie lassen sich solche Szenen verhin- 
dern? 

Wir brauchen Alternativen zu unseren 
herkömmlichen Verhaltensmustern, um 
unseren Partnern vermitteln zu können, 
daß wir wohlgesonnen sind und die 
Absicht haben, 

• sie zu informieren, zu unterstützen 
und mit ihnen zu kooperien, 

• ohne sie zu beschuldigen, abzuwerten 
oder zu beherrschen. 

Bei der fairen Kommunikation kon- 
zentrieren wir uns deshalb auf zwei 
Hauptaspekte: 

• Wie teilen wir uns anderen mit? 

• Wie reagieren wir auf andere? 

Danach werden Sie Strategien zur 
Bewältigung von Konflikten kennenler- 
nen, die sich aus der Verbindung dieser 
beiden Fähigkeiten ergeben. 


18 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Sich anderen mitteilen 

Es gibt zwei in ihren Auswirkungen auf 
andere Menschen sehr verschiedene 
Möglichkeiten, sich mitzuteilen, die wir 
als »Ich-Sprache« und als »Du-Sprache« 
bezeichnen wollen. In der Ich-Sprache 
verwenden wir Ich-Aussagen, in der Du- 
Sprache Du-Botschaften. Vorrangiges 
Ziel der fairen Kommunikation ist es, 
Ihnen dabei zu helfen, die Du-Sprache 
zu verlernen und die Ich-Sprache aus- 
zuweiten. 

Du-Sprache vermeiden 

»Nie hörst Du mir zu!« - »Du bist ein 
schrecklicher Perfektionist!« - »Mußt 
Du immer das letzte Wort haben!« - das 
sind Beispiele für Du-Botschaften. Die 
Du-Sprache ist eine sehr bequeme 
Sprachform, hervorragend geeignet, 
eigene Verantwortung abzuschieben 
und andere zu beschämen und ihnen 
Schuldgefühle zu machen. In der Du- 
Sprache sagen wir nicht, wie es uns 
selbst geht, sondern was wir bei ande- 
ren an Fehlern wahrzunehmen meinen. 
Sie ist die Sprache des Ärgers und der 
Wut, der Abwertung anderer und der 
Vorwürfe. Auf Du-Botschaften antwor- 
tet unser Gegenüber häufig ebenfalls in 
Du-Botschaften. 

Der Fokus unserer Aufmerksamkeit ist in 
der Du-Sprache die andere Person - 

19 


denn es ist allemal sicherer und beque- 
mer, über andere zu reden, als etwas 
von uns selbst preiszugeben. Und zuge- 
geben: manchmal ist es sehr befreiend, 
jemandem mal »so richtig die Meinung 
zu sagen«. Du-Botschaften dienen also 
auch der Entladung von Ärger und Wut 
und das hat hin und wieder sicher seine 
Berechtigung (-> Seite 77). 

Wir haben dieses Kommunikationsmu- 
ster in der Kindheit gelernt und es ist 
uns so geläufig, daß wir einige Zeit 
brauchen werden, um um uns wieder 
davon zu lösen. 

Beispiele für Du-Botschaften: 
Botschaft von Sabine an ihren Freund 
Heinz nach einem Abend bei Freunden: 
»Du benimmst Dich manchmal wie ein 
nervendes vorlautes Kind. Ich glaube, Du 
versuchstabsichtlich , mich zu ärgern. 
Immer lenkst Du alle Aufmerksamkeit 
auf Dich.« 

Georg kommt in das Zimmer von Else, 
seiner Frau: »Du hast schon wieder die 
Heizung voll aufgedreht. Du weißt doch, 
wie hoch die Heizungsrechnung für das 
letzte Jahr war. Kannst Du denn nicht 
mal ein bißchen aufpassen.« 

Wenn wir uns mit H i Ife solcher Du-Bot- 
schaften aggressiv durchsetzen - oder 
auch durch Beleidigt- und Gekränktsein 
indirekt aggressiv - dann werden unse- 
re Bedürfnisse im Moment vielleicht 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


erfüllt, langfristig zerstören wir aber 
durch dieses Verhalten die Vertrauens- 
basis. 

Du-Botsehaften funktionieren - wenn 
überhaupt - nur auf Kosten der Bezie- 
hung. 

Ich-Sprache anwenden 

In der Ich-Sprache dagegen, der »Spra- 
che des Herzens«, wie Dr. Marshall 
Rosenberg sie nennt, ist die Aufmerk- 
samkeit auf unsere eigenen Bedürfnisse 
gerichtet, denn nur über unsere eigenen 
Bedürfnisse können wir wirklich verläß- 
lich Auskunft geben. Statt anderen mit 
Du-Botschaften zu sagen, welche Fehler 
und Charaktermängel sie haben, sagen 
wir mit Ich-Aussagen, was wir uns 
wünschen und von ihnen brauchen. 

Dr. Marshall Rosenberg hat dafür eine 
treffende Formulierung: »Anderen sa- 
gen, was sie tun können, um das Leben 
für uns schöner zu machen.« 


An dieser Stelle habe ich schon des 
öfteren den Einwand gehört, das ist 
doch egoistisch, nur von mir selbst zu 
reden und gar von anderen zu wollen, 
daß »sie mir das Leben schöner 
machen«. Egoistisch wäre es, wenn Sie 
von jemandem fordern, er müsse tun, 
was Sie möchten. Ihm zu sagen, was Sie 
möchten und ihm dann die Freiheit zu 
lassen, darauf einzugehen oder nicht, 
vereinfacht die Kommunikation dage- 
gen erheblich. Denn indem Sie sagen, 
was Sie möchten oder brauchen, weiß 
Ihr Partner, woran er ist und womit er 
Ihnen wirklich eine Freude machen 
kann. Er ist dann nicht auf Gedanken- 
lesen angewiesen, was ja meist nicht 

20 



Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


klappt, wenn auch viele Menschen 
den Wunsch haben, daß Kommunika- 
tion so funktionieren sollte (»Er liest mir 
jeden Wunsch von den Augen ab.«) Zu 
hoffen, daß der andere Ihre Wünsche 
errät, bevor Sie sie äußern, ist eine 
gute Methode, sich selber unglücklich 
zu machen, denn Sie werden oft nicht 
bekommen, was Sie brauchen. 

Ich-Aussagen verlangen viel Bewußt- 
heit über uns selbst und was gegen- 
wärtig für uns wichtig ist. In Ich- 
Sprache drücken wir etwas von unse- 
rer Lebensenergie aus, indem wir ande- 
ren mitteilen, welche Gefühle, Wün- 
sche, Bedürfnisse und Gedanken wir 
haben. 

Beispiele für Ich-Aussagen: 

Um dies alles anschaulich zu machen, 
greife ich nochmal die beiden Beispiele 
von oben auf. 

Eine Ich-Aussage von Sabine an Heinz 
nach dem Abend bei Freunden könnte 
lauten: »Ich ärgere mich, wenn Du mich 
so oft unterbrichst und scherzhafte 
Bemerkungen machst, wenn ich etwas 
erzähle, was mir wichtig ist. Vorhin fühl- 
te ich mich sehr verletzt als Du im Bei- 
sein von Charlotte die Bemerkung ... 
(Zitat) gemacht hast« 

Wenn Sie sich auf eine Bemerkung Ihres 
Partners beziehen, zitieren Sie ihn am 
besten wortwörtlich, weil das die sach- 

21 


lichste Form ist, eine Situation unver- 
zerrt zu schildern. 

• Georgs Ich-Aussage an Else könnte 
lauten: »Mir ist es hier viel zu warm. Ich 
sehe, Du hast die Heizung auf die höch- 
ste Stufe gestellt. Ich denke an die hohe 
Rechnung vom letzten Jahr und möchte 
gern, daß wir mit dem Heizen etwas 
sparsamer sind. Was hältst Du davon?« 

Folgende Punkte sollten Sie bei Ich- 
Aussagen beachten: 

• Sich direkt an die betroffene Per- 
son wenden und am besten persön- 
lich miteinander reden 

• Selbstöffnung durch den Ausdruck 
von Gefühlen, Bedürfnissen und 
Wünschen 

• Keine Abwertungen und Beurtei- 
lungen anderer - Vorsicht vor Du- 
Botschaften 

• Beschreibung des störenden Ver- 
haltens oder der Problemsituation 

• Statt Schuldzuweisungen zu 
machen, beschreiben wie sich das 
störende Verhalten auf Sie auswirkt 

• Verzicht auf abschwächende, 
übertreibende und verallgemeinern- 
de Formulierungen 

• Anderen keine Verhaltensanwei- 
sungen geben 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Bedürfnisse ausdrücken 

»Wenn Du irgendein Thema 
verwirren willst, kann ich Dir sagen, 
wie man so etwas am besten macht: 
Vermische das, was ich tue, 
mit dem, wie Du darauf reagierst.« 
(Dr. Marshall Rosenberg) 

Zwischenmenschliche Konflikte ent- 
stehen, wenn eine Person für die Be- 
friedigung ihres Bedürfnisses auf eine 
andere angewiesen ist, diese aber im 
Moment nicht bereit ist, dieses Be- 
dürfnis zu befriedigen, sich also auf 
die andere Person einzustellen. Der 
Konflikt entsteht erst in dem Moment, 
wo wir nicht akzeptieren und darunter 
leiden, daß andere Menschen nicht 
tun, was wir von ihnen erwarten oder 
brauchen. 

Beispiel: 

Lea möchte gern den Abend mit ihrem 
Freund Gerhard verbringen, er möchte 
aber noch arbeiten. Sie ist darüber ent- 
täuscht, weil sie meint, Gerhard nehme 
sich nicht genug Zeit für sie. 

Wenn Lea ihre Enttäuschung Gerhard 
nicht mitteilt, schwelt der Konflikt im 
Untergrund weiter. Erst durch den Aus- 
druck ihrer Gefühle wird deutlich, was 
in ihr vorgeht und welche Erwartungen 
sie an ihn hat. 

22 


Nicht der direkte Ausdruck von Bedürf- 
nissen und Gefühlen schafft Probleme, 
sondern der indirekte. Selbstöffnung 
heißt, ich spreche von mir, meinen 
Gefühlen, Bedürfnissen und Wünschen 
in Form von Ich-Aussagen [»Ich möchte 
/wünsche /brauche..., weil...«), 
anstatt dem anderen Vorwürfe zu 
machen. 

Lea könnte also zu Gerhard sagen: 

»Ich bin traurig, weil ich den Abend gern 
mit Dir verbracht hätte. Ich wünsche 
mir, bald etwas gemeinsam zu machen.« 

Gefühle mitteilen 

Oft gibt es eine ziemliche Verwirrung 
darüber, was Gefühle eigentlich sind. 

Ein wichtiger Aspekt ist: Gefühle lassen 
sich körperlich wahrnehmen, insbeson- 
dere wenn wir uns auf ihre vier 
Grundtönungen beschränken, die wir 
als elementare Gefühle bezeichnen: 

• Zuneigung und Freude, 

• Angst und Furcht, 

• Ärger und Wut, 

• Trauer und Abschiedsschmerz. 

Wenn Sie Ihrer Partnerin sagen, welche 
Grundtönung Ihr Gefühl hat - ob zum 
Beispiel eher ärgerlich oder traurig -, 
kann sie sich besser einfühlen. 
Womöglich beobachten Sie, daß sich 
Ihr Gefühl verändert, wenn Sie es mit- 
teilen. Vielleicht verraucht Ihr Ärger 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Niemand kann mir Gefühle »machen« 

Gefühle resultieren aus den Bedürfnissen, die wir 
haben, und sind Ausdruck unseres subjektiven Erle- 
bens. Wir sind selbst verantwortlich für das, was wir 
fühlen, auch wenn es viele Situation im Leben gibt, 
wo es uns so scheint, als wenn jemand anders uns 
ärgert oder traurig macht und wir dann oft geneigt 
sind zu sagen: »Du machst mich ärgerlich« oder »Du 
machst mich traurig« statt »Ich ärgere mich über 
Dich« oder »Ich bin traurig«. 

Auch wenn diese Sichtweise neu und ungewohnt für 
Sie sein mag - es ist wichtig, sie beim Fairen Streiten 
zu beachten! 


oder Ihre Wut läßt nach, sobald Sie 
sie ausgedrückt haben. Ob andere Ihr 
Bedürfnis erfüllen, ist dann oft - wenn 
auch natürlich nicht immer - nicht 
mehr so wichtig. Es geht um Ihre 
Selbstöffnung. 

Wenn Sie sagen, wie Sie sich fühlen, 
kann Ihre Partnerin Ihnen mit mehr 
Anteilnahme zuhören, als wenn Sie sie 
mit Sätzen wie »Du machst mich 
wütend« zur Verursacherin Ihrer Gefüh- 
le erklären. Sagen Sie dagegen »Ich bin 
wütend«, lassen Sie offen, wodurch Ihre 
Wut ausgelöst wurde. Deshalb ist es so 
wichtig, keine anschuldigenden Formu- 
lierungen zu gebrauchen. 


Beispiele für abwertende Du-Botschaf- 
ten anstelle eines Ausdrucks von 
Gefühlen: 

»Ich habe das Gefühl, daß Du es nicht 
magst, wenn ich das ganze Wochenende 
unterwegs bin.« 

»Ich spüre , daß Du jetzt lieber gehen 
möchtest.«. 

»Ich fühle, daß ich Dir auf die Nerven 
gehe.« 

Auch wenn die Satzeinleitung bean- 
sprucht, ein Gefühl auszudrücken, 
sind diese Sätze keine Aussagen über 
Gefühle, sondern Bewertungen und 
Vermutungen über das Verhalten ande- 
rer. Das Gleiche gilt für Begriffe wie 
»Ich fühle mich ausgenutzt/ übergan- 
gen / ausgeschlossen / betrogen / bloß- 
gestellt usw.«, die dem anderen eine 
abwertende Handlung unterstellen. 

Auch eine Formulierung wie 
»Ich habe ein autes/schlechtes Gefühl. 
was unsere Beziehung angeht.« ist eine 
Bewertung und kein Gefühl. 

Da dies ein schwieriges Thema ist, hier 
einige Beispiele für Gefühle, die wir 
haben, wenn unsere Bedürfnisse nicht 
befriedigt werden: 

(Ich bin/ich fühle mich...) ärgerlich, ent- 
täuscht, wütend, traurig, niedergeschla- 
gen, ängstlich, entmutigt, frustriert, 
bekümmert, verzweifelt. 

Mehr zum Thema Gefühle ab Seite 70. 


23 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


• Übung 

Jetzt können Sie kurz testen, ob Sie ver- 
standen haben, mit welchen Aussagen 
Sie sich öffnen, indem Sie Ihre Gefühle 
nennen, und welche dagegen Anschul- 
digungen sind. 

In welchen Aussagen werden Gefühle 
konkret benannt? 

1. Ich habe Angst, wenn Du in dieser 
Lautstärke und diesem Tonfall mit mir 
redest. 

2. Ich fühle mich übergangen, wenn Du 
Dich mit Till und Ursula triffst, ohne 
mich zu fragen, ob ich mitkommen 
möchte. 


3. Ich fühle deutlich, daß Du mit unserer 
Vereinbarung nicht wirklich einverstan- 
den bist. 

4. Mich ärgert, wenn Du alle paar Minu- 
ten auf die Fernbedienung tippstund 
das Programm wechselst. 

5. Du machst mich wütend mit Deiner 
Nörgelei. 

(Auflösung: Die Sätze 1 und 4 sind klare 
Aussagen über Gefühle, die Sätze 2 und 
5 sind Anschuldigungen, Satz 3 ist eine 
Behauptung.) 


Copyrighted image 


24 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Womöglich sagen Sie jetzt, das ist ganz 
schön kompliziert! In vielen Alltagssi- 
tuationen wird Ihre Partnerin es akzep- 
tieren, wenn Sie Ihre Gefühle auf die 
Ihnen vertraute Weise ausdrücken. Wir 
sind alle gewohnt, innerlich zu überset- 
zen, was andere sagen wollen. Wichtig 
ist, zu wissen, wie Sie vermeiden kön- 
nen, einen Konflikt zu schüren - indem 
Sie auf Anschuldigungen verzichten, die 
Ihre Partnerin zur Verursacherin Ihrer 
Gefühle erklären, und stattdessen Ihr 
Gefühl benennen. Also statt »Du machst 
mich traurig« - »Ich bin traurig«. 


Du-Botschaften übersetzen 

»Alle Beurteilungen anderer 
sind der tragische Ausdruck 
unserer eigenen 
unerfüllten Bedürfnisse.« 
(Dr. Marshall Rosenberg) 

Ich habe Sie einige Seiten vorher bereits 
mit Du-Botschaften vertraut gemacht. 
Nun möchte ich diese Art von Aussagen 
und mögliche Reaktionen darauf noch 
ausführlicher beschreiben, damit Sie 
eigene und fremde Du-Botschaften im 
Gespräch erkennen und mit ihnen 
umgehen lernen. 


Obwohl sie Du-Botschaften genannt 
werden, ist das Kennzeichen einer 
Du-Botschaft nicht, daß sie mit 
»Du« beginnt - auch wenn das 
häufig der Fall ist -, sondern die 
Beurteilung und Abwertung einer 
anderen Person. 


Häufig beginnen Du-Botschaften auch 
mit Einleitungen wie 
»Ich glaube, Du w/7/sL.(mal wieder mit 
dem Kopf durch die Wand)« 

»Ich finde, Du b/sf...(einfach nicht ent- 
schieden genug gegenüber den Kin- 
dern)« 

»Ich habe das Gefühl, Du hast.. .[für diese 
Sache einfach nicht die notwendige 
Geduld)« 

Beispiele: 

Auf die Frage, ob es bald Abendessen 
gibt; 

Du-Botschaft: »Du erwartest immer, 
daß ich mich um alles kümmere.« 

Eine Ich-Aussage wäre dagegen: »Ich 
würde mich freuen, wenn Du Dich um 
das Essen kümmern würdest. Ich möchte 
diesen Brief gern fertigschreiben.« 

Er schaut gerade einen Krimi an; 
Du-Botschaft: »Du interessiert Dich gar 
nicht mehr für mich. Immer sitzt Du vor 
dem Fernseher.« 


25 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Dagegen Ich-Aussage: »Ich würde gern 
etwas mit Dir zusammen machen. Wir 
haben uns die ganze Woche so wenig 
gesehen, und ich habe mich darauf 
gefreut, daß wir dieses Wochenende mal 
keine Verabredung haben.« 

Die Küche ist nicht aufgeräumt; 
Du-Botschaft: »Auf Dich ist einfach kein 
Verlaß. Wieso kannst Du nicht vorher 
sagen, daß Du keine Lust hast, das 
Geschirr zu spülen.« 

Dagegen Ich-Aussage: »Ich bin verär- 
gert, daß das Geschirr noch dasteht, 
obwohl Du versprochen hattest, heute 
die Küche zu machen.« 

In allen drei Beispielen sind die Du-Bot- 
schaften Vorwürfe und Unterstellungen. 
Mit Du-Botschaften beurteilen und 
etikettieren wir andere und versuchen 
sie durch Erzeugung von Furcht, Schuld 
oder Scham dazu zu veranlassen, daß 
sie etwas tun, was wir möchten. Erfolg 
haben wir damit natürlich nur begrenzt. 

Die Bitte hinter der Du-Botschaft 
hören 

Hinter jeder Du-Botschaft steht auch 
eine Bitte. Wenn Sie sich angewöhnen, 
Ihre Aufmerksamkeit auf diese Bitte zu 
richten, wird es Ihnen leichter fallen, 
nicht auf den kränkenden und abwer- 
tenden Teil der Aussage »anzuspringen«. 
Eine Möglichkeit, wenn Sie eine Du- 

26 


Botschaft hören, besteht darin, diese 
Bitte gedanklich zu »übersetzen«. (Eine 
andere Möglichkeit werden Sie später 
im Kapitel »Einfühlendes Zuhören« 
kennenlernen.) 

Betrachten Sie hierzu nochmal die Bei- 
spiele aus dem letzten Abschnitt. Im 
ersten Beispiel war die Antwort auf die 
Frage, ob es bald Abendessen gibt, die 
Du-Botschaft: »Du erwartest immer, 
daß ich mich um alles kümmere.« 

Wenn Sie ihre Aufmerksamkeit auf die 
unausgesprochene Bitte Ihres Partners 
richten, könnten Sie so reagieren: 
»Möchtest Du gern, daß ich mich heute 
um das Essen kümmere ?« 

• Übung 

Bitte formulieren Sie nun zur Übung 
Ihre Reaktion auf die Bitten, die Sie in 
den beiden anderen Beispielen wahr- 
nehmen: 

1. Du-Botschaft: 

»Du interessiert Dich gar nicht mehr für 
mich. Immer sitzt Du vordem Fernseher.« 

2. Du-Botschaft: 

»Auf Dich ist einfach kein Verlaß. Wieso 
kannst Du nicht vor-her sagen, daß Du 
keine Lust hast, das Geschirr zu spülen.« 

Ihre Reaktion könnte lauten: 

1. Beispiel: 

»Möchtest Du, daß wir etwas zusammen 
machen ?« 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Du-Botschaften sind wie Benzin in ein offenes Feuer 


In einer grundsätzlich wohlwollen- 
den Beziehung tolerieren wir auch 
einen gewissen Anteil an Du-Bot- 
schaften. Sobald die Mißverständnis- 
se zunehmen, schüren wir mit Du- 
Botschaften allerdings den Konflikt. 
Sie sind dann wie Benzin in ein offe- 
nes Feuer. 

In einer solchen Situation sollten Sie 
sehr bewußt auf Ihre Du-Botschaften 
achten und sie »übersetzen« in Ich- 
Aussagen. 

Leider ist es meist eher so: Je mehr 
sich ein Konflikt zuspitzt und je ver- 
trauter uns der andere ist, desto 
mehr finden wir mit sicherem Gespür 
die verletzbaren Stellen des anderen 
und attackieren ihn mit kränkenden 
Du-Botschaften. 

Vielleicht wenden Sie jetzt ein: 


»Wenn ich mich gerade sehr über 
jemanden ärgere, kann ich doch nicht 
über jedes Wort nachdenken, dasich 
sage. Ich sage dann einfach, was mir 
in den Sinn kommt.« 

Der Grund für diesen scheinbar 
»unkontrollierbaren« Ärger ist häufig, 
daß wir nicht frühzeitig genug Dinge 
ansprechen, die uns stören. Stattdes- 
sen warten wir, bis sich die unerfreu- 
liche Situation zugespitzt hat und 
nehmen dann dem anderen übel, daß 
er nicht von selbst merkt, was uns 
stört. In diesem Moment haben wir 
unseren Ärger tatsächlich nicht mehr 
so unter Kontrolle. 

Frühzeitig störendes Verhalten anzu- 
sprechen, ermöglicht es uns, leichter 
einen sachlichen und angemessenen 
Ton zu finden. 


2. Beispiel: 

»Wäre es Dir lieber, daß ich, wenn ich 
mit Spülen an der Reihe bin, das 
Geschirr sofort spüle?« 

Dieses Umschalten wird später noch 
ausführlicher dargestellt. 


Übertreiben und Verallgemeinern 

Zwei weitere deutliche Kennzeichen für 
Abwertungen in Form von Du-Bot- 
schaften sind das Übertreiben und Ver- 
allgemeinern. Übertreibungen erkennen 
Sie an Wörtern wie: 
immer, nie, schon wieder, ständig, wenn 
Du wenigstens, typisch. 


27 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Beispiele: 

»Du mußt immer an mir herummeckern.« 
» Nie kannst Du mich mal in Ruhe die 
Zeitung lesen lassen.« 

»Das ist mal wieder typisch für Deinen 
Über perfektionismus!« 

» Du verstreust schon wieder Deine 
Sachen im ganzen Raum.« 

Uns mag es so erscheinen, als wenn wir 
überTatsachen reden, für den anderen 
sind es Signale, sich zu verteidigen oder 
zum Gegenangriff überzugehen. 

Auch Verallgemeinerungen - erkennbar 
an Formulierungen mit man, ihr, wir- 
sind, obwohl sehr indirekt ausgedrückt, 
versteckte Abwertungen: 

»Man macht das nicht. Das gehört sich 
einfach nicht!« 

Dahinter steht unausgesprochen die 
Aussage: »Was Du tust ist ungehörig. 

Ich weiß, was sich gehört.« 

»Ihr Frauen (Männer) seid doch alle 
gleich. Nie sagen sie, was sie wirklich 
wollen.« 

Dahinter steht unausgesprochen: 

»Du bist so (unehrlich) wie alle Frauen 
(Männer).« 

Verallgemeinerungen sind heim- 
tückisch, weil wir hiermit in Anspruch 
nehmen, daß nicht nur wir das Verhal- 
ten unseres Partners kritisieren, sondern 
daß es sich um ein allgemeingültiges 

28 


Gesetz handelt und/oder andere unsere 
Meinung teilen. 

In diesem Zusammenhang jedoch 
noch eine wichtige Empfehlung: 
Verzeihen Sie es sich, wenn Sie sich 
selbst bei Du-Botschaften ertappen. 
Es genügt, wenn Sie erkennen, daß 
Sie wieder in Du-Botschaften ver- 
fallen sind und auf die Reaktion 
achten, die Sie damit bei Ihrem 
Partner auslösen. Wenn Sie beob- 
achten, welche heftige Gegenwehr 
Sie bewirken, wird Sie das - so 
vermute ich - motivieren, wieder 
auf Ich-Sprache umzuschalten. Um 
tiefeingefahrene Kommunikations- 
muster zu verlernen, braucht es 
einige Zeit. Da die Basis des fairen 
Streitens eine gute Beziehung zu 
uns sei bst ist, sollten wir uns nicht 
mit Selbstvorwürfen »herunter- 
machen«. Gehen Sie liebevoll mit 
sich selbst um! 


Sich selbst abwerten 

Sie können sich auch selbst abwerten 
und die Wirksamkeit Ihrer Aussagen 
vermindern, nämlich indem Sie ihr 
Anliegen abschwächen mit Wörtern wie 
eigentlich, vielleicht, ein bißchen, etwas, 
eventuell. 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Beispiele: 

»Ich hätte es eigentlich gern gesehen, 
wenn Du....« 

»Hast Du vielleicht etwas Zeit für mich? 
Ich würde gern, wenn's Dir recht ist , 
noch was mit Dir bereden.« 

Solche vorsichtigen Formulierungen 
scheinen Ausdruck von höflicher 
Zurückhaltung zu sein. Sie verringern 
damit aber die Wichtigkeit Ihres 
Bedürfnisses und die Wirksamkeit Ihrer 
Ich-Aussage. 

In Untersuchungen über Frauen- und 
Männersprache wurde festgestellt, daß 
Frauen häufig solche abschwächenden 
Formulierungen benutzen. Mit diesen 
Verkleinerungsformen begeben wir uns 
von vornherein in eine unterlegene 
Position. Und beim Fairen Streiten geht 
es keineswegs - wie von manchen irr- 
tümlich angenommen wird - darum, 
uns zurückzunehmen, sondern klar und 
abwertungsfrei unsere Bedürfnisse mit- 
zuteilen. 

• Übung: Abwertungsfrei formulieren 
Ihr Partner kommt eine halbe Stunde zu 
spät in das verabredete Lokal. Sie sind 
sehr verärgert, weil er zugesichert hatte, 
pünktlich zu sein. 

Eine selbstabschwächende Aussage 
wäre: »Ich hatte mireigentlich 
gewünscht, Du wärst diesmal ein 
bißchen pünktlicher..« 


Eine Du-Botschaft wäre: »Das ist mal 
wieder typisch für Dich. Du schaffst es 
nie, pünktlich zu sein!« 

Was würden Sie sagen? (Achten Sie 
darauf, über Ihre Gefühle zu sprechen.) 

Die Ich-Aussage könnte lauten: 

»Ich bin verärgert, weil Du mir verspro- 
chen hattest, Du würdest mich nicht 
warten lassen.« 

Störendes Verhalten 
beschreiben 

Sie haben jetzt erfahren, wie Sie die 
Bedürfnisse anderer - und Ihre eigenen 
- nicht abwerten. Nun werden Sie sich 
womöglich fragen: Wenn ich nicht in 
der Form von Bewertungen sprechen 
darf, wie kann ich dann ausdrücken, 
wenn mich etwas stört oder mir ein 
Verhalten meines Partners nicht paßt? 

Beispiel: 

Ihr Partner hat die Balkontür zu Ihrem 
Arbeitszimmer offengelassen. In einem 
heftigen Luftzug wurden Ihre Papiere 
durcheinandergeblasen. Sie hatten eini- 
ge Zeit zu tun, sie wieder zu ordnen. Was 
sagen Sie zu ihm ? 

Bitte überlegen Sie einen Moment für 
sich, bevor Sie weiterlesen, und notieren 
Sie Ihre Antwort. 


29 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Wahrscheinlich werden Sie jetzt nicht 
mehr Du-Botschaften wie diese formu- 
lieren: »Du hast mal wieder völlig ge- 
dankenlos alles offenstehen gelassen.« 
Optimal wäre es, wenn Sie nur den 
Sachverhalt schildern würden, also 

• die sinnlich wahrnehmbaren Tatsa- 
chen beschreiben und 

• die konkreten Auswirkungen für Sie 
darstellen in einer Weise, daß ihr Part- 
ner sich nicht angegriffen fühlt. Das 
könnte in unserem Beispiel so aussehen: 
»Du hast in meinem Arbeitszimmer Fen- 
ster und Tür offen gelassen. Der Wind 
hat meine Papiere durcheinandergewir- 
belt, und ich mußte einige Zeit aufwen- 
den, um sie wieder zu ordnen.« 

Störendes Verhalten oder eine Kon- 
fliktsituation beschreiben heißt: 

• statt abstrakter Bewertung sinn- 
lich wahrnehmbare Tatsachen mit- 
teilen 

• statt Rückschlüsse zu ziehen auf 
Motive, Gefühle und Gedanken 
anderer direkte Zitate und konkrete 
Beispiele wiedergeben 

• statt mit Moralisieren und »erho- 
benem Zeigefinger« Wirkung erzie- 
len zu wollen, die Auswirkungen auf 
Sie beschreiben 

• statt den anderen Ihre Gefühle 
spüren lassen, sie direkt benennen 


• Übung 

Dieter wird oft von seiner Frau Luise 
unterbrochen, wenn er ihr etwas erzählt, 
indem sie ihm Ratschläge gibt oder ihn 
kritisiert. 

Bitte beschreiben Sie an Dieters Stelle 
die Situation und die Auswirkungen für 
Sie und nennen Sie Ihre Gefühle. 
Schreiben Sie - bevor Sie weiterlesen - 
eine vollständige abwertungsfreie Ich- 
Aussage auf. 

Eine Ich-Aussage ohne Abwertung 
wäre: 

»Wenn ich Dir etwas erzähle, unter- 
brichst Du mich häufig, bevor ich zu 
Ende geredet habe, und sagst mir , was 
ich Deiner Meinung nach machen soll. 
Ich ärgere mich darüber und verliere 
die Lust, Dir etwas zu erzählen.« 


30 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Keine Verhaltens- 
anweisungen geben 

Ihnen käme es vielleicht einfacher 
vor zu sagen »Unterbrich mich nicht 
dauernd!« oder, in Georgs und Elses 
Fall Seite 19) »Stell 'doch bitte die 
Heizung kleiner!« 

Befehle und Verhaltensanweisungen 
zu geben ist eine sehr weit verbreitete 
Methode, störendes Verhalten ändern 
zu wollen. Der Grund, warum diese 
»schnellen Lösungen« selten oder nur 
kurzfristig funktionieren, liegt in dem 
psychologischen Phänomen, daß wir 
uns nicht mehr frei fühlen, sobald uns 
jemand sagt, was wir tun sollen. Unser 
Widerstand wächst - selbst wenn der 
Vorschlag genau das sein sollte, was wir 
andernfalls bereit wären zu tun. 

Wahrscheinlich haben die meisten 
von uns eine Überdosis von Verhaltens- 
anweisungen in der Kindheit abbekom- 
men und reagieren auf Vorschläge, 
selbst wenn sie logisch und vernünftig 
erscheinen, überempfindlich. 

Für eine wirksame und schnelle Bewäl- 
tigung von Alltagskonflikten ist es 
hilfreich, sich an dieses Phänomen zu 
erinnern und mit Lösungsvorschlägen 
und Verhaltensanweisungen zurück- 
haltend zu sein. Das heißt keineswegs, 
daß Sie nicht sagen dürfen, was Sie 

31 


brauchen, aber daß Sie sich zurückhal- 
ten, Ihrem Partner zu sagen, auf welche 
Weise er das erfüllen soll. 

Es wird Sie vielleicht verwirren, daß in 
manchem Kommunikationsleitfaden 
oder -seminar das Gegenteil empfohlen 
wird, nämlich konkret zu benennen, was 
Sie von Ihren Mitmenschen möchten. 
Solange keine Konflikte bestehen, ist 
das ein gutes Vorgehen (->• Seite 22). 

In einer bereits gespannten Konflikt- 
situation ist es dagegen günstiger, sich 
mit Wünschen, die der andere als For- 
derungen und Verhaltensanweisungen 
empfinden könnte, zurückzuhalten. 
Wenn Sie dabei bleiben, nur die Situa- 
tion und die Auswirkungen für sich zu 
beschreiben und Ihre Gefühle und 
Bedürfnisse auszudrücken, gibt es für 
Ihren Partner keinen direkten Anlaß, 
sich persönlich abgewertet zu fühlen. 

Er könnte es trotzdem tun, wenn er ein 
wackliges Selbstwertgefühl hat und 
Botschaften anderer häufig mit 
selbstabwertenden Ohren hört. Das 
können Sie nicht verhindern. Sie tragen 
die Verantwortung dafür, sich abwer- 
tungsfrei mitzuteilen, aber nicht dafür, 
wie Ihr Partner Ihre Botschaft übersetzt 
und was er hineinliest. Wie Sie ihm hel- 
fen können, sich selbst gegenüber 
wohlwollender zu werden, erfahren Sie 
im Kapitel »Einfühlend zuhören«. 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Auf andere reagieren 

Sie haben erfahren, wie Sie sich Ihrer 
Partnerin gegenüber auch in Konfliktsi- 
tuationen ausdrücken können, ohne sie 
abzuwerten. Jetzt wird es darum gehen, 
wie Sie selbst reagieren und wie Sie mit 
den Reaktionen anderer umgehen, auch 
wenn sie Abwertungen und Du-Bot- 
schaften enthalten und zunächst nicht 
geeignet erscheinen, Konflikte zu lösen. 
Wie wir bereits feststellten, haben viele 
Menschen Schwierigkeiten, ihre Wün- 
sche und Bedürfnisse klar auszudrücken 
und verhalten sich stattdessen oft 
abwehrend. Diese Abwehr kann sich 
ganz unterschiedlich äußern: in aggres- 
siven oderselbstabwertenden Formulie- 
rungen, in Vorwürfen, getarnt in Rat- 
schlägen oder schweigendem Rückzug. 
Dadurch wird die Kommunikation in 
einer Partnerschaft oft sehr verwirrend. 
Wenn Sie sie verbessern möchten, müs- 
sen Sie zum einen lernen, sich selbst 
klar auszudrücken - dies warThema der 
vorherigen Kapitel. 

Zum anderen ist es wichtig, Abwehr zu 
erkennen und wie sie zu einer Kommu- 
nikationssperre wird, also zu einem Ver- 
halten, das einen weiteren Meinungs- 
austausch blockiert und Konfliktlösun- 
gen verhindert. Durch die Ȇberset- 
zung« dessen, was Ihre Partnerin häufig 
nur als Abwehr auszudrücken in der 
Lage ist, können Sie Ihre Kommunika- 

32 


tion miteinander verbessern. Wie Sie 
das machen, möchte ich anhand eines 
Beispiels zeigen (siehe auch Seite 26 ). 

Beispiel: Der gemeinsame Abend 
Gisela und Hans besuchen gemeinsam 
einen Vortrag. Dort trifft Gisela einige 
Bekannte und unterhält sich mit ihnen. 
Auf dem Heimweg entspinnt sich das 
folgende Gespräch: 

(Ich-Aussage): »Ich hatte mich auf den 
gemeinsamen Abend mit Dir gefreut, 
weil wir uns die letzte Zeit eh so wenig 
sehen. Ich fühle mich traurig, weil wir 
kaum miteinander geredet haben. 

Zuerst hast Du Dich mit Ulla, die hinter 
uns saß, unterhalten, dann bist Du in der 
Pause zu Deinem Arbeitskollegen 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


gegangen und erst am Ende der Pause 
zurückgekommen. Ich hätte gern mit Dir 
überdas geredet, was der da vorn 
erzählt hat.« 

Sie (reagiert mit Abwehr): »Du machst 
mal wieder aus einer Mücke einen 
Elefanten. Wir können uns doch jetzt 
unterhalten.« 

Er (ihre Abwehr übersetzend): »Dir wär's 
lieber, ich würde das nicht so dramati- 
sieren.« 

Sie: »Ja, genau. Immer bist Du so emp- 
findlich.« 

Er (Ich-Aussage): »Ich würde gern bei 
unseren seltenen gemeinsamen Aben- 
den auch überdas reden, was wir 
zusammen erleben.« 

Sie (rechtfertigt sich): »Aber die Ulla 
und den Fritz sehe ich sonst auch nie.« 

Er (übersetzend): »Für Dich wareseine 
willkommene Gelegenheit, mit alten 
Freunden kurz einen Plausch zu halten.« 
Sie: »Ja, warum denn nicht.« 

Er; »Ich bin mit Dir in den Vortrag gegan- 
gen, weil ich mit Dir zusammen was 
unternehmen und mich mit Dir darüber 
unterhalten wollte.« 

Sie: »Warum bist Du bloß so quengelig 
heute!« 

Er: »Du verstehst nicht, warum ich auf 
diesen Punkt so beharre.« 

Sie: »Nein, wirklich nicht.« 

Er: »Mir ist es wichtig, das mal deutlich 
zu sagen, weil ich es letzte Woche, als 
wirzusammen im Kino waren, ähnlich 

33 


erlebt habe. Ich war danach sehr fru- 
striert, weil ich mir von einem gemein- 
samen Abend erwarte, daß wir uns mehr 
aufeinander beziehen.« 

Sie (versteht und macht ein Angebot 
zur Versöhnung): »Na gut, jetzt weiß ich, 
daß Du mehr mit mir reden willst, wenn 
wirzusammen ausgehen. Das nächste 
Mal werde ich mich mehr auf Dich kon- 
zentrieren. Okay?« 

Auf Abwehr achten 

Gisela reagiert auf die Ich-Aussagen 
von Hans abwehrend. Zuerst wertet sie 
ihn ab, dann rechtfertigt sie sich. 

Als Abwehr werden im Sinne dieses 
Fair-Streit-Modells alle Äußerungen 
betrachtet, die nicht direkt dazu dienen, 
eine Störung zu beseitigen oder einen 
Konflikt zu lösen. Ein anderes Wort 
dafür ist Kommunikationssperre. 

Dieses Verständnis von Abwehr gilt 
natürlich nur in einem eng umgrenzten 
Rahmen: dann, wenn Sie mit jemandem 
einen Konflikt klären möchten. 

Hans reagiert auf Giselas Abwehr 
(»Warum bist Du bloß so quengelig 
heute!«), indem er sie wohlwollend 
übersetzt («Du verstehst nicht, warum 
ich auf diesen Punkt so beharre.«), statt 
seinerseits gekränkt zu sein. 

Ab dem nächsten Kapitel nennen wir 
diesen Vorgang einfühlendes Zuhören. 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Vielleicht erscheint Ihnen das Vorgehen 
von Hans umständlich und pingelig. 
Überlegen Sie, was geschehen würde, 
wenn Hans nach dem Vortrag zu Gisela 
eine Du-Botschaft sagen würde wie: 
»Du hast Dich den ganzen Abend nicht 
um mich gekümmert«. 

Stattdessen beschreibt Hans die Situa- 
tion, wie er sie erlebt hat. Er konfron- 
tiert damit Gisela. Auf ihre abwehren- 
den Äußerungen schaltet er um zu ein- 
fühlendem Zuhören. Damit bewahrt er 
einen guten Kontakt zu ihr und sie wird 
irgendwann aufhören, sieh zu verteidi- 
gen. Es wird ihr leichter fallen, irgend- 
wann einzulenken, wenn Hans ihr, ohne 
sie abzuwerten, sein Bedürfnis den 
Abend intensiver mit ihr zu verbringen, 
deutlich machen kann. 

Verschiedene Arten von Abwehr 

Hier einige weitere Beispiele für mögli- 
che Kommunikationssperren, bezogen 
auf unser Beispiel: 

Fragen, insbesondere wenn sie mit 
»Warum« beginnen: »Warum hast Du 
Dich nicht einfach in das Gespräch mit- 
eingemischt?« 

Geg enar g umente: »Du hast Dich gestern 
doch auch lange mit Joachim unterhal- 
ten, als wir ihn beim Spazierengehen 
getroffen haben.« 

Verall g emeinerun g: »Niemand würde 
was dabei finden außer Dir.« 

34 


Befehle: »Laß mich in Frieden mit Deiner 
Meckerei!« 

Killerphrasen: »Ich will meine Zeit nicht 
für solchen Firlefanz verschwenden.« 
Ablenken , aufheitern: »Ach Hans, nimm 
das doch nicht gleich so tragisch. Komm, 
wir gehen jetzt noch ein Bier trinken.« 

Vielleicht wenden Sie jetzt ein, daß es 
in einem Konflikt doch bestimmt zur 
Entspannung der Situation beiträgt, 
wenn jemand abzulenken und aufzu- 
heitern versucht. Wenn das Thema, um 
das es gerade geht, nicht so wichtig ist, 
mag das tatsächlich funktionieren. Für 
Hans wäre es vielleicht möglich gewe- 
sen, auf Giselas Vorschlag einzugehen, 
noch etwas trinken zu gehen und die 
Geschichte zu vergessen. 

Anders verhält es sich, wenn es Hans 
wichtig ist, etwas für die Zukunft zu 
klären, weil sich Abende wie dieser 
schon öfter so abgespielt haben. Dann 
ist eine ablenkend-aufheiternde Reak- 
tion von Gisela als Versuch zu verstehen, 
der Auseinandersetzung auszuweichen. 
Es gibt viele Situationen im Alltag, wo 
es in Ordnung ist, einen Ratschlag zu 
geben, zu trösten oder Fragen zu stel- 
len, solange sie keine Konflikte mitein- 
ander haben. Sobald es Probleme gibt 
und Sie anfangen, sich wegen jeder 
Kleinigkeit mißzuverstehen, ist es rat- 
sam, Abwehr bewußt wahrzunehmen 
und innerlich umzuschalten. 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Einfühlend Zuhören 

»Eine Person, die anderen nicht 
zuhören kann, >verteidigt< sich, 
sie kann es sich nicht leisten, 
Ansichten und Ideen ausgesetztzu 
sein, die nicht identisch sind mit ihren 
eigenen Vorstellungen. ...denn es 
besteht die Möglichkeit, daß wir verän- 
dert werden, wenn wir wirklich 
genau zuhören und uns in die Welt 
des anderen ein fühlen.« 

(Thomas Gordon) 

Ein heikles Thema - nicht nur für Paare 
- ist das Zuhören. Insbesondere wenn 
es in einer Partnerschaft Meinungs- 
verschiedenheiten gibt, wird das Zuhö- 
renkönnen zu einerschweren Prüfung 
der Selbstbeherrschung. Wer kann 
sich schon Vorwürfe gelassen anhören, 
ohne gleich »zurückzuschießen«? Plötz- 
lich sind Sie mitten in einem Streit, 
in dem jeder seinen Standpunkt ver- 
teidigen will. Auch wohlformulierte 
Ich-Aussagen würden hier nicht wei- 
terhelfen. Denn eine Auseinanderset- 
zung, die nur aus Ich-Aussagen be- 
stünde, wäre eine verheerende Ange- 
legenheit, fehlte doch das, was dem 
Gespräch die Seele verleiht: nämlich 
das Zuhören und Sich-aufeinander- 
beziehen. 

Um Konflikte konstruktiv lösen zu kön- 
nen, brauchen wir also neben der Fä- 

35 


higkeit, abwertungsfrei miteinander zu 
sprechen und unsere Gefühle und Be- 
dürfnisse mitzuteilen, noch ein wichti- 
ges Element: das einfühlende Zuhören. 
Es ist eine besondere Art und Weise, auf 
andere Menschen zu reagieren. 

Einfühlend zuhören heißt, 

• wohlwollend zuhören, 

• zurückspiegeln, was Sie an 
Gefühlen und Bedürfnissen hören 
und wahrnehmen (überstimme, 
Mimik und Körperausdruck) und 

• nicht mehr hineinlegen als gesagt 
wurde. 


Beispiel: 

Sie (mit ungeduldiger Stimme): »Warum 
hast Du nicht gleich gesagt, daß Du die 
Reparatur an meinem Auto nicht 
machen willst? Dann hätte ich den 
Wagen schon längst in die Werkstatt 
gegeben.« 

Er (einfühlend zuhörend): 

»Du bist verärgert darüber, daß ich die 
Reparatur noch nicht gemacht habe.« 
(Danach wäre eine Ich-Aussage ange- 
bracht mit der Begründung seines Ver- 
säumnisses.) 

Sie als Zuhörer verschaffen sich so 
selbst erst einmal eine kurze Reaktions- 
pause (denn Sie bleiben innerlich noch 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


beim anderen), bevor Sie Stellung neh- 
men. Mit dem einfühlenden Zuhören 
wird auch einer Du-Botschaft die krän- 
kende Spitze genommen, was für eine 
gute Kommunikation sehr hilfreich ist - 
vorausgesetzt es verkommt nicht zu 
einer mechanischen Technik. Doch dann 
würde es nicht die erste Voraussetzung 
des einfühlenden Zuhörens erfüllen, 
»wohlwollend zuzuhören«. 

36 


Wie Sie einfühlend zuhören 

Bei dieser Art des Zuhörens sind Sie 
nicht nur der »Empfänger« einer Bot- 
schaft, sondern aktiv beteiligt. Im 
Unterschied zu der üblichen Art, mit- 
einander zu reden, sind Sie nicht schon 
innerlich damit beschäftigt, was Sie 
gleich erwidern werden, wenn Ihre 
Partnerin aufhört zu sprechen. Ihre Auf- 
merksamkeit richtet sich stattdessen 
auf alles, was Sie bei Ihrer Partnerin 
wahrnehmen an Gefühlen und Bedürf- 
nissen, ganz egal wie sie das ausdrückt. 
Es wird Ihnen helfen, wenn Sie vor 
allem darauf achten, welche Bitte Sie in 
ihrer Äußerung wahrnehmen - was 
nicht heißt, daß Sie immer tun müssen, 
was sie von Ihnen erwartet! Sie können 
ihr durch Ihre einfühlende Reaktion 
jedoch Verständnis signalisieren. Oft ist 
es ein erster Schritt zur Lösung eines 
Konflikts, wenn Ihre Partnerin sich ver- 
standen fühlt. 

Beispiele für einfühlendes Zuhören: 

• Sabine nach einem Abendessen mit 
Freds Mutter: »Ich bin ganz unzufrieden, 
wie der Abend abgelaufen ist. Ich glau- 
be, ich warsehr ungeduldig mit Deiner 
Mutter.« 

Fred: »Du wünschst Dir, Du hättest Dich 
ihr gegenüber anders verhalten.« 

(statt beschwichtigend: »Du machst Dir 
wiedereinmal viel zuviele Gedanken.«) 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


• Martin hat seine Schuhe wie schon 
oft in den Flur neben den Schuhschrank 
gestellt und wird von Renate darauf 
aufmerksam gemacht. 

Martin: »Immer hast Du was zu meckern. 
Ich glaube, ich werde es Dir nie recht 
machen können.« 

Renate: »Du bist verletzt, weil ich Dich 
darauf aufmerksam mache, daß Du Dei- 
ne Schuhe neben statt in den Schuh- 
schrankgestellt hast.« fstatt selbstge- 
recht: »Du kapierst es offensichtlich nie, 
wie sehr mich das aufregt.«) 

Einfühlendes Zuhören hilft Ihnen, sich 
darüber klarzuwerden, was Ihre Partne- 
rin von Ihnen möchte. Gleichzeitig hel- 
fen Sie ihr durch Ihre aktive Überset- 
zung und die Zurückspiegelung ihrer 
Gefühle - die manchmal oft erst 
dadurch bewußt werden -, für sich zu 
klären, was sie von Ihnen möchte oder 
braucht. Denn manchmal ist Ihre Part- 
nerin vielleicht nicht in der Lage, sich 
anders als in Form einer aggressiven 
Du-Botschaft auszudrücken. Sie können 
dieses »Wurfgeschoß« entschärfen, 
wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit nicht auf 
die mögliche Kränkung richten, die dar- 
in enthalten ist, sondern auf die indirekt 
geäußerte Bitte, die Sie von Ihrer Part- 
nerin hören (-► Seite 26 ). Da das ein- 
fühlende Zuhören so wichtig ist, noch 
einmal ein ausführliches Beispiel. 


Beispiel: Der Geschichtenerzähler 
Nach einem Abend mit Freunden sagt 
Eva zu Achim: »Jedes Mal wenn wir mit 
anderen Leuten zusammen sind, spielst 
Du Dich in den Vordergrund und redest 
ununterbrochen.« 

Er (einfühlend zuhörend): »Du ärgerst 
Dich, weil Du findest, ich nehme zuviel 
Raum ein, so daß andere nicht mehr zu 
Wort kommen?« 

Sie: »Ja! Du hast dann immerein paar 
Stories auf Lager, die Du immer wieder 
erzählst und die ich alle schon tausend- 
mal gehört habe.« 

Er: »Dich nervt, daß ich immer die glei- 
chen Geschichten erzähle und Du willst 
sie nicht mehr hören.« 

Sie: »Ja, genau! Ich sag schon gar nichts 
mehr, weil es mir manchmal richtig 
peinlich ist, wie Du das Gespräch an 
Dich reißt.« 

Er: »Du siehst da gar keine Möglichkeit, 
Dich einzubringen, und Dir kommt es vor, 
als wenn es andere genauso erleben.« 

Sie: »Naja, vielleicht muß ich da auch 
einfach mal über meinen Schatten 
springen und was sagen, statt mich 
innerlich zurückzuziehen und mich im 
stillen über Dich zu ärgern.« 

Er (macht, nachdem Eva einiges von 
ihrem Ärger losgeworden ist und er 
meint verstanden zu haben, was ihre 
Beschwerde ist, einen Vorschlag): »Ich 
wünsche mir, Du würdest mir das näch- 
ste Mal ein Zeichen geben, wenn ich 


37 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Deiner Meinung nach wieder so aufdre- 
he und das Gespräch zu sehr bestimme.« 
Sie: »Gut. Das nächste Mal werde ich 
Dich anstupsen oder Dir sonstwie ein 
Zeichen geben zur Erinnerung. Ja?« 

Er: »Okay.« 

Eva konnte ihren Ärger zuerst nur in 
Du-Botschaften ausdrücken. Nachdem 
sie sich von Achim verstanden fühlte, 
war es ihr möglich, ihre Aufmerksam- 
keit, die zuerst ganz auf Achims Verhal- 
ten gerichtet war, auf ihr eigenes Ver- 
halten zu richten {»... vielleicht muß ich 
da auch mal über meinen Schatten 
springen ...«). Zugegeben, um so gedul- 
dig zuzuhören und nicht auf die Vor- 
würfe zu reagieren, braucht es einige 
Selbstbeherrschung, insbesondere dann, 
wenn Sie selbst ein schlechtes Gewissen 
haben und meinen, an den Vorwürfen 
sei etwas dran. Doch wenn Sie es aus- 
probieren, werden Sie über das Ergebnis 
staunen: Vorwürfe, die sonst zu endlo- 
sen Streitereien führten, lassen sich 
plötzlich in kurzer Zeit auflösen. 

Wenn sich jemand ausreichend verstan- 
den fühlt, wird es ihm leichter möglich 
sein, den Fokus von außen nach innen 
zu richten. Achim hätte auch, statt 
selbst einen Vorschlag zu machen, Eva 
fragen können, was sie sich wünscht, 
daß sich ändern soll. 


Besonderheiten und Hilfen 

Meist ist es günstiger, wenn Sie Ihre 
einfühlende Reaktion nicht als Frage, 
sondern als Feststellung formulieren. 

So fühlt sich Ihre Partnerin nicht 
gezwungen, zu antworten und wird in 
ihrem Gesprächsfluß nicht gestört. 

Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen: Beim 
einfühlenden Zuhören fangen Sätze oft 
mit »Du...« an. Sie sind aber keine Du- 
Botschaften, solange Sie Ihre Partnerin 
nicht abwerten, ihr nichts unterstellen 
und ihren Ansichten nicht vorgreifen. 
Beim einfühlenden Zuhören versuchen 
Sie ausschließlich, die Gefühle und 
Bedürfnisse Ihrer Partnerin zu verstehen 
und in eigenen Worten auszudrücken. 
Insofern ist einfühlendes Zuhören nicht 
passiv, sondern aktiv. Dafür müssen Sie 
natürlich mehr auf die Gefühle und 
Bedürfnisse Ihrer Partnerin achten und 
weniger auf ihre Gedanken reagieren - 
das fällt vielen von uns am Anfang 
schwer. Um das zu verdeutlichen, greife 
ich nochmal aus dem Beispiel von eben 
den Beginn des Dialogs auf. Eva sagt: 
»Jedes Mal, wenn wir mit anderen 
Leuten zusammen sind, spielst Du Dich 
in den Vordergrund und redest ununter- 
brochen.« 

Ein reines Aufgreifen des Gedankens 
wäre folgende Reaktion von Achim: 

»Du findest, ich mache mich wichtig und 


38 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


rede zuviel, wenn andere Leute dabei 
sind.« 

Wenn Achim einfühlend Evas Bedürf- 
nisse und Gefühle hört, geht er einen 
Schritt weiter: »Du ärgerst Dich, weil Du 
findest, ich nehme zuviel Raum ein, so 
daß andere nicht mehr zu Wort kom- 
men?« 

Wenn Sie beim Zuhören wirklich mit 
Mitgefühl hören und die Gefühle und 
Bedürfnisse Ihrer Partnerin übersetzen, 
bringen Sie das Gespräch ein ganz 

39 


wesentliches Stück voran. Einfühlend 
zuhören ist ein sehr wichtiger Beitrag in 
einem Gespräch, damit wir uns verstan- 
den fühlen - nicht nur in Konfliktsitua- 
tionen! 

• Übung 

Monika: »Am liebsten würde ich an die- 
sem Wochenende nicht mit zu Deinen 
Eltern fahren, sondern es mir zu Hause 
gemütlich machen.« 

Peter (verärgert): »Immer fällt Dir in 
letzter Minute was anderes ein. Es war 
doch schließlich Deine Idee, daß wir die- 
ses Wochenende meine Eltern besuchen 
wollten.« 

• Bevor Sie weiterlesen, notieren Sie 
sich bitte, wie Sie auf Peters Botschaft 
einfühlend reagieren würden. 

• Und nun überlegen Sie, wie Monika 
ihm ihr Bedürfnis, ein entspanntes 
Wochenende zu Hause zu verbringen, 
beschreiben könnte, so daß es für Peter 
nachvollziehbar ist. 

Auflösung: Monika könnte einfühlend 
antworten: »Du bist ganz verärgert dar- 
über, daß ich so überraschend meine 
Meinung ändere.« 

Ihr Bedürfnis könnte sie so vermitteln: 
»Ich möchte gern, daß Du mich ver- 
stehst. Ich bin von der Arbeit so ge- 
schafft, daß ich am liebsten zu Hause 
bleiben und die Füße hochlegen würde. 
Der Streß mit der langen Fahrt und dann 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


den ganzen Tag mit Deinen Eltern 
zusammen, ohne mich mal zurückziehen 
zu können - das nervt mich schon, wenn 
ich bloß daran denke.« 

Gefahren und Grenzen 

Am Schluß dieses Abschnitts möchte 
ich noch auf einige Gefahren und Gren- 
zen hinweisen. 

• Einfühlendes Zuhören wird dann 
manipulativ, wenn es nicht ehrlich 
gemeint ist und nicht aus der Achtung 
für die Meinung und Sichtweise Ihres 
Partners entspringt, sondern mecha- 


nisch oder in einem ironischen Tonfall 
erfolgt. 

• In seltenen Fällen kann jemand die 
»Technik« des Spiegelns - einfühlendes 
Zuhören ist es dann schon nicht mehr - 
als Machtmittel einsetzen, um sich als 
überlegen darzustellen und den andern 
»zappeln zu lassen«. Der Partner 
bekommt keine Antwort, sondern nur 
eine Spiegelung seiner Botschaft. 

• Insbesondere für Frauen besteht die 
Gefahr, Meisterinnen des einfühlenden 
Zuhörens zu werden und dabei die eige- 
nen Bedürfnisse aus den Augen zu ver- 
lieren. Nicht immer, wenn jemand ein 



40 


Copyrighted material 


Grundelemente des Fairen Streitens 


Problem hat, müssen Sie einfühlend 
zuhören. Sie selbst entscheiden, wofür 
Sie Ihre Energie einsetzen möchten. 

Ein deutliches Signal ist, wenn Sie sich 
langweilen oder ärgern, weil Sie meinen 
zu kurz zu kommen und über Gebühr 
beansprucht zu werden. Hier wäre es 
angebracht, Ihre Gefühle und Bedürf- 
nisse als Ich-Aussage mitzuteilen. 

Zum Beispiel : ^/c/? verstehe, daß Dich ge- 
rade etwas sehr beschäftigt. Allerdings 
habe ich im Moment nicht die Ruhe, Dir 
zuzuhören, weil ich diese Sache fertig- 
machen will.« 

Grenzen des einfühlenden Zuhörens 

Einfühlendes Zuhören ist nicht ange- 
bracht, wenn es keine Hinweise dafür 
gibt, daß Ihr Partner ein Problem hat, 
bei dem er Ihre Unterstützung braucht 
oder wünscht, zum Beispiel, weil er sehr 
klar seine Bedürfnisse und Gefühle aus- 
drückt. Sie sollten sich in diesem Fall 
mit einfühlendem Zuhören zurückhal- 
ten, denn zuviel dargebotene Liebe und 
Einfühlung kann auch penetrant wer- 
den. Sie werden mit der Zeit ein Gespür 
dafür entwickeln, wieviel einfühlendes 
Zuhören Ihr Partner braucht, um sich 
verstanden zu fühlen, und wo passive 
Zuhörfertigkeiten (Zugewandtheit, 
Schweigen, »Türöffner« wie »Hmhm«, 
»Ah, sogeht's Dir damit«, »Erzähl weiter, 
wenn Du willst«) genügen. 

41 


• Wenn Ihr Partner eine ganz konkrete 
Information von Ihnen braucht, wäre 
einfühlendes Zuhören in diesem Fall 
eine Form von Abwehr! 

• Wie bereits erwähnt, ist einfühlendes 
Zuhören nicht ratsam, wenn Sie selbst 
innerlich nicht bereit sind, weil Sie 
beispielsweise gestresst oder in Eile 
sind oder gerade nicht in der Stimmung, 
sich mit den Problemen Ihres Partners 
zu befassen. Eine gewisse Portion Ego- 
ismus bewahrt Sie vor Depressionen 
oder der Anlage eines geheimen Ärger- 
kontos, das Sie Ihrem Partner irgend- 
wann heimzahlen - in Form eines 
plötzlichen Wutausbruchs oder ähnli- 
chem. 

• Ausschließlich einfühlend zuhören 
wäre natürlich auch nicht angebracht, 
wenn Sie mit Ihrem Partner einen Kon- 
flikt zu klären haben. Wie Sie in einem 
solchen Fall Vorgehen, erfahren Sie in 
den folgenden Kapiteln. 


Copyrighted material 


Sie haben bisher die 
Grundelemente fairer 
Kommunikation 

• klare Ich-Aussagen, 

• Verhaltensbeschreibung 
statt Bewertung und 

• ein fühlendes Zuhören 
kennengelernt. Im folgenden 
geht es nun darum, wie Sie 
damit Konflikte lösen. 

Sie werden Bedürfnis- und 
Wertkonflikte unterscheiden 
lernen und erfahren, wel- 
ches Vorgehen in welcher 
Situation am sinnvollsten 
ist. Das Ziel ist immer, eine 
Lösung zu finden, bei der 
beide Partner gewinnen! 


Copyrighted material 


Faires Streiten 
in der Praxis 


Copyrighted image 







43 


Copyrighted material 


Wie Sie bei 
Konflikten Vorgehen 


»Konfliktlösung und Versöhnung 
durch Konfrontation und Kooperation 
sind möglich, wenn unsere 
Gefühlsseite sie wünscht und unser 
Verstand einen Weg findet. « 
(abgewandelt nach T. und A. Harris) 

Bisher war von störendem Verhalten 
und Konflikten die Rede. Nicht jedes 
Verhalten Ihres Partners, durch das Sie 
sich beeinträchtigt fühlen, führt jedoch 
gleich zu einem Konflikt. 

Sie erfahren einige Seiten weiter, wie 
Sie störendes Verhalten zunächst ein- 
mal durch ein Konfrontationsgespräch 
versuchen können zu verändern. Oft 
werden Sie damit Erfolg haben. 

Es wird jedoch auch Situationen geben, 
wo Ihr Partner nicht bereit ist, lediglich 
auf Ihre Konfrontation hin sein Verhal- 
ten zu verändern. Diese Situation 
bezeichnen wir hier im engeren Sinn als 
Konflikt. Zur Bewältigung von Konflik- 
ten benötigen Sie Methoden, die über 
das Konfrontieren hinausgehen. 

Beispiel: 

Horst vergißt immer wieder, wann er an 
der Reihe ist, Küchendienst zu machen. 
Lena, seine Frau, muß ihn des öfteren 
daran erinnern. Tut sie es nicht, steht am 
nächsten Morgen noch das ganze 
Geschirr da. Lena möchte ungern die 
Rolle der Aufpasserin haben, aber auch 

44 


nicht am Morgen in eine unaufgeräumte 
Küche kommen. In einem Konfronta- 
tionsgespräch stellt sich heraus, daß 
Horst an sich Widerstände dagegen hat, 
Küchendienst zu machen, weil er meint, 
daß er beruflich mehr belastet ist als 
Lena, die studiert und öfter als er zu 
Hause ist. Nach einigem Hin und Her 
beschließen sie, sich zusammenzuset- 
zen, um über die Aufteilung der Haus- 
haltspflichten neu zu verhandeln. 

Solange beide davon ausgehen, daß ihre 
Vereinbarung über die Aufteilung des 
Küchendienstes so für beide befriedi- 
gend ist, handelt es sich noch um kei- 
nen Konflikt, sondern um ein störendes 
Verhalten von Horst. Wenn sich jedoch 
bei der Diskussion um den Küchendienst 
ergibt, daß tiefere Widerstände gegen 
die bisherige Regelung vorhanden sind, 
die geklärt werden müssen, haben die 
beiden einen Konflikt miteinander. Um 
diesen zu klären, empfiehlt sich ein 
partnerschaftliches Klärungsgespräch. 

Störendes Verhalten gehen Sie mit 
einem Konfrontationsgespräch an, 
einen Konflikt lösen Sie in einem 
partnerschaftlichen Klärungsge- 
spräch. 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Bedürfnis- 
oder Wertkonflikt? 

Noch eine Unterscheidung ist zu treffen 
- nämlich die zwischen Bedürfnis- und 
Wertkonflikten. 

Störendes Verhalten Ihrer Partnerin läßt 
sich unter zwei Blickwinkeln sehen: 

• Es ist für mich nicht akzeptabel, weil 
es mich in der Befriedigung eines 
Bedürfnisses behindert. Wir nennen das 
einen Bedürfniskonflikt. 

• Oder es ist für mich nicht akzeptabel, 
weil es einer Wertvorstellung von mir 
widerspricht. Es behindert mich jedoch 
nicht unmittelbar in der Befriedigung 
eines Bedürfnisses. Wir nennen das 
einen Wertkonflikt. 


Beispiele für Bedürfniskonflikte: 

• Sie sind am Sonntag für einen Ausflug 
verabredet. Ihr Freund sagt Sonn tag- 
morgen ab, weil er plötzlich keine Lust 
hat. Sie sind enttäuscht, weil Sie sich 
auf den gemeinsamen Ausflug gefreut 
haben. Außerdem möchten Sie nicht 

45 


allein wandern und werden so kurzfri- 
stig keine andere Begleitung finden. 

• Ihre Frau kauft sich teure Kleider, 
obwohl sie beide wenig Geld zur Verfü- 
gung haben. Sie sind verärgert, weil das 
Konto im Minus ist. 

• Ihre Schwiegermutter kommt häufig 
für länger zu Besuch, obwohl Sie nur 
eine kleine Wohnung haben. Sie sind 
verärgert, weil Sie sich einschränken 
müssen. 

Beispiele für Wertkonflikte: 

• Sie und Ihre Frau haben bezüglich der 
Erziehung Ihrer Tochter, zum Beispiel 
wann sie abends spätestens zu Flause 
sein soll, verschiedene Ansichten. 

• Ihr Freund kleidet sich gern lässig und 
bequem. Wenn Sie gemeinsam ausge- 
hen, stört Sie das manchmal. 

• Sie sind für die Trennung von Abfall 
und tragen deshalb Papier und Flaschen 
zum Container. Ihre Freundin will sich 
daran nicht beteiligen, weil sie meint, 
daß solche Aktionen am Grundproblem 
des Mülls nichts ändern. 

Weshalb wir hier diese Unterscheidung 
machen, werden Sie besser verstehen, 
wenn Sie beim Konfrontieren die Aus- 
wirkungen von störendem Verhalten 
beschreiben sollen. 

Die Auswirkungen störenden Verhaltens 
aufgrund von Wertkonflikten zu 
beschreiben, ist meist nicht möglich. 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Findige Köpfe können sich zwar auch zu 
den obengenannten Beispielen Auswir- 
kungen ausdenken, zum Beispiel, mit 
einem lässig gekleideten Partner Essen 
zu gehen macht keinen Spaß. Solche 
Auswirkungen hören sich oft ziemlich 
an den »Haaren herbeigezogen« an. 
Wenn Ihre Partnerin nicht bereit ist, 

Ihre Beschreibung der Auswirkungen zu 
akzeptieren, ist das meist ein deutlicher 
Hinweis auf einen Wertkonflikt. 

Das heißt nicht, daß sich Wertkonflikte 
nicht trotzdem sehr nachhaltig auf Ihre 
Beziehung auswirken können! Mehr 
dazu lesen Sie ab Seite 65. Jetzt soll es 
erst einmal um die Lösung von Bedürf- 
niskonflikten gehen. 


Das faire Konfrontations- 
gespräch 

Nehmen wir an, Ihre Partnerin tut 
etwas, was Sie ärgert, irritiert oder ver- 
unsichert: Sie macht Lärm, während Sie 
sich Ruhe wünschen; packt umständlich 
die Koffer, so daß Sie unter Zeitdruck 
kommen. 

Oft ergeben sich aus dem Ärger in sol- 
chen Momenten Streitereien, die nichts 
bewirken - außer für manche vielleicht 
die resignative Konsequenz: »Ich sag 
besser nichts, denn außer Streit kommt 
doch nichts dabei raus.« 

Sie werden jetzt erfahren, wie Sie die 

46 


Elemente fairer Kommunikation, die 
Sie im ersten Teil kennengelernt haben, 
einsetzen können, um solch störendes 
Verhalten in einem Konfrontationsge- 
spräch zu verändern. 

Wirksam konfrontieren 

Bewußte Konfrontation setzt voraus, 
daß Sie wissen, was Sie möchten und 
daß Sie Ihre Bedürfnisse (also zum Bei- 
spiel Ihr Bedürfnis nach Ruhe) ernst- 
nehmen und für sie eintreten. Sie soll- 
ten sich dabei über folgende Fragen im 
klaren sein: 

• Was genau ist mein Problem ? 

• Worüber bin ich ärgerlich ? 

• Was will ich erreichen ? Was genau soll 
sich ändern ? 

• Wen muß ich dafür ansprechen, wer 
kann das verändern? (Wichtig, wenn 
verschiedene Personen beteiligt sind) 
Eine Konfrontation ist zunächst einmal 
ein nachdrückliches Informationsge- 
spräch. Denn bevor Sie Ihrer Partnerin 
nicht sagen, was Sie stört, sie also über 
Ihre Bedürfnisse informieren, weiß sie 
womöglich gar nicht, wie sehr Sie sich 
von ihrem Verhalten beeinträchtigt 
fühlen. Wenn Sie dabei von der Bereit- 
schaft und dem guten Willen Ihrer Part- 
nerin ausgehen, ihrVerhalten zu verän- 
dern, wird Ihnen das helfen, sachlich zu 
bleiben, auch wenn Sie Ihre Gefühle 
ausdrücken. 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Wirksam konfrontieren heißt: 

• Die andere Person zu einer 
Veränderung ihres Verhaltens zu 
veranlassen, 

• ohne sie in ihrer Selbstachtung 
anzugreifen. 


Der Beginn: 

Die konfrontierende Ich-Aussage 

Eine konfrontierende Ich-Aussage ist 
am wirksamsten, wenn sie drei Teile 
enthält: 

• Die genaue vorwurfslose Beschrei- 
bung des störenden Verhaltens 

• Die Beschreibung der spürbaren Fol- 
gen oder Auswirkungen für Sie 
(anschaulich und nachvollziehbar) 

• Die Benennung Ihrer Gefühle und der 
Bedürfnisse, in denen Sie sich einge- 
schränkt fühlen. 


Sie beschreiben also: 

Störendes Verhalten + Folgen für 
Sie + Ihr Gefühl/Bedürfnis 

Die Reihenfolge ist unerheblich. Meist 
empfiehlt es sich aber, mit der Be- 
schreibung des Verhaltens zu beginnen, 
damit Ihre Partnerin zuerst erfährt, 

47 


worum es geht. Wenn Ihr Gefühl sehr 
stark ist, beginnen Sie vielleicht mit 
»Ich bin sehr (ärgerlich)..., weil ...« 

Der Nachteil bei diesem Beginn ist, 
daß Ihre Partnerin womöglich schon 
in Abwehrhaltung geht, weil sie sich 
bedroht fühlt, ohne zu wissen worum 
es geht. 

Beachten Sie: An der Möglichkeit oder 
Unmöglichkeit, die Folgen für Sie zu 
formulieren, können Sie erkennen, ob es 
sich wirklich um ein Bedürfnis handelt, 
in dem Sie sich beeinträchtigt fühlen. 
Handelt es sich hingegen um eine 
Wertvorstellung, werden Sie Schwierig- 
keiten haben, die Auswirkungen des 
störenden Verhaltens auf Sie anschau- 
lich und nachvollziehbarzu beschrei- 
ben. Es besteht dann die Gefahr, daß Sie 
anfangen zu rationalisieren, also 
scheinbar »vernünftige« Argumente 
bringen, die aber keine Beeinträchti- 
gung Ihrer Bedürfnisse darstellen. 
Erinnern Sie sich an das Beispiel für 
einen Wertkonflikt: Stellen Sie sich vor, 
Sie müßten begründen, inwiefern Sie 
die lässige Kleidung Ihres Partners 
beeinträchtigt. 

Nun ein Beispiel für den Beginn einer 
Konfrontation. 

Beispiel: Der Ausflug I 

Christa und Siegfried machen einen 
Fahrradausflug. Siegfried fährt seit 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


einer Weile im Abstand von zirka 50 
Meter vor ihr her, und Christa kommt 
nur mit Mühe hinterher. An einer Ampel 
konfrontiert Christa ihn: 

(zur besseren Übersieht sind die drei 
Teile der Aussage gekennzeichnet) 
Verhalten: »Du fährst schon eine ganze 
Weile voraus. 

Folgen: Ich komme nur mit größter 
Mühe hinterher und bin schon völlig 
außer Atem. 

Gefühl/Bedürfnis: Ich bin ärgerlich, weil 
ich gern gemeinsam mit Dir radeln und 
hin und wieder auch mal ein paar Worte 
mit Dir wechseln möchte.« 

Wenn Siegfried nun sofort darauf 
reagiert und zum Beispiel langsamer 
radelt, wäre die Konfrontation auf 
Anhieb erfolgreich und das Problem 
gelöst. Gewöhnlich reagieren die mei- 
sten Menschen aber zuerst mit Wider- 
stand, wenn sie konfrontiert werden. 
Welche Art von Widerstand von Sieg- 
fried kommen könnte und wie Christa 
dann aufseine Botschaften reagieren 
sollte, erfahren Sie auf der nächsten 
Seite. Vorher möchte ich Ihnen jedoch 
Gelegenheit geben, selbst einmal eine 
konfrontierende Ich-Aussage zu for- 
mulieren. 

• Übung 

Formulieren Sie zu den beiden Beispie- 
len eine konfrontierende Ich-Aussage. 

48 


Beispiel: Der Beifahrer 

Auf der Autobahn. Ihre Partnerin fährt 
7 80, obwohl starker Verkehr ist. Sie hält 
nicht den nötigen Sicherheitsabstand, 
und Sie fühlen sich ziemlich unwohl 
und nervös. Sie beobachten dauernd den 
Verkehr und können sich nicht ent- 
spannen. 

Beispiel: Das Videogerät 

Das Videogerät ist schon seit einiger 
Zeit kaputt. Ihr Partner versprach es zu 
reparieren. Doch immer wieder vergißt 
eres. Sie möchten einen Sprachkurs 
aufnehmen und sind frustriert, weil das 
jetzt nicht möglich ist. 

Die konfrontierenden Ich-Aussagen 
könnten lauten: 

Beispiel 1 : »Ich habe Angst, wenn Du bei 
diesem starken Verkehr mit 180 fährst 
und noch dazu so dicht auffährst. 

Ich möchte entspannt daneben sitzen 
können, wenn Du fährst.« 

Bitte beachten Sie: Thema ist nicht, ob 
Ihre Partnerin eine gute Autofahrerin 
ist, sondern wie Sie sich fühlen, wenn 
sie fährt. 

Folgen und Gefühl hängen oft eng 
zusammen. In diesem Beispiel ist die 
Folge aus dem Verhalten Ihrer Partnerin 
das Gefühl von Angst, das Sie haben, 
wenn sie fährt, weshalb Sie dauernd 
den Verkehr beobachten und nicht ent- 
spannen können. 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Zu Beispiel 2: (Verhalten) »DasVideo- 
gerät ist schon einige Zeit kaputt und 
Du hast versprochen, es zu reparieren. 
(Folgen) Ich möchte morgen sehr gern 
den neuen Französisch-Sprachkurs 
aufnehmen, kann das aber jetzt nicht 
machen, weil das Gerät nicht funktio- 
niert Dadurch entgeht mir die Möglich- 
keit, den Kurs mitzumaehen, weil ich 
meist nicht zu Hause bin, wenn die Sen- 
dung kommt. (Gefühl) Ich bin frustriert 
darüber.« 

Die Beschreibung der drei Teile Verhal- 
ten - Folgen für Sie - Gefühle/Bedürf- 
nisse ist die günstigste Ausgangsbasis 
für die weitere Auseinandersetzung. 

Der weitere Ablauf 

Die konfrontierende Ich-Aussage und 
das Erkennen von Abwehr und Umschal- 
ten auf einfühlendes Zu hören sind die 
wichtigsten Elemente, die Sie für ein 
erfolgreiches Konfrontationsgespräch 
brauchen, um störendes Verhalten Ihrer 
Partnerin zu verändern. 

Beispiel: Der Ausflug II 

Jetzt können wir das Beispiel von 
Christa und Siegfried zu Ende führen. 

Er: »Wenn Du jetzt schon an fängst, 
mich zu gängeln, können wir gleich 
wieder nach Hause fahren.« 


Sie (einfühlend zuhörend): »Du ärgerst 
Dich, daß ich das sage.« 

E r:»Ja, allerdings. Kaum sind wir unter- 
wegs, fängst Du schon an zu jammern.« 
Sie (zuerst noch einfühlend zuhörend, 
dann erneut konfrontierend): 

»Du kannst meinen Wunsch, mit Dir 
gemeinsam zu radeln, nicht so recht 
akzeptieren. Mir macht der Ausflug 
mehr Spaß, wenn wir dabei auch ein 
bißchen reden können. Außerdem bin 
ich jetzt schon völlig außer Atem bei 
dem Tempo, das Du vorlegst.« 

Er (noch abwehrend): »Da kann man 
mal sehen, wie wenig fit Du bist.« 

Sie (wieder umschaltend auf einfühlen- 
des Zuhören): »Du meinst, das Problem 
besteht darin, daß ich nicht genug Kon- 
dition habe.« 

Er (immer noch Christas Bedürfnis 
abwehrend): »Ich habe die ganze Woche 
im Büro gehockt. Jetzt will ich mich mal 
austoben. Ich brauch' das.« 

Sie (zuerst einfühlend zuhörend, dann 
erneut konfrontierend): »Dir ist es wich- 
tig, Dich selbst etwas zu fordern. - Das 
kann ich zum einen verstehen, doch ich 
wäre sehr enttäuscht von unserem 
gemeinsamen Ausflug, wenn er im 
gleichen Stil weiterverlaufen würde.« 

Er (ist bereit, einzulenken): »Ich habe 
'ne Idee. Meinetwegen können wir jetzt 
ein Stück zusammen radeln. Aber später 
möchte ich gern für eine halbe Stunde 
einen Sprint um den See machen. 


49 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Wir können dann einen Treffpunktaus- 
machen. Was hältst Du davon?« 

Diese Bereitschaft, einzulenken und 
sogar eigene Vorschläge für eine Lösung 
des Problems einzubringen, ist typisch 
für das Konfrontationsgespräch, wenn 
die konfrontierende Person konsequent 
auf Abwertung verzichtet und bei 
Abwehr öfters auf einfühlendes 
Zuhören umschaltet. Nach Rollenspie- 
len berichten die konfrontierten Perso- 
nen häufig: »Ich konnte nicht auf die 
alte Weise weitermachen, weil ich mich 
nicht zu verteidigen brauchte. Mir 
gingen einfach die Argumente aus.« 

Vorgehen bei einer (idealtypischen) 
Konfrontation: 

• Konfrontierende Ich-Aussage als 
Einstieg in die Auseinandersetzung 
(Störendes Verhalten - Folgen für 
Sie - Ihr Gefühl) 

• Bei Abwehr immer wieder 
Umschalten auf einfühlendes 
Zuhören 

• Nicht inhaltlich auf den Wider- 
stand eingehen, sondern bei Ihrem 
Anliegen bleiben 

• Erneute Ich-Aussagen, bis die 
konfrontierte Person selbst eine 
befriedigende Lösung findet 
(keine Verhaltensanweisungen und 
Lösungen vorgeben!) 

50 


Noch ein ausführliches Beispiel für ein 
vollständiges Konfrontationsgespräch. 

Beispiel: Der Vielbeschäftigte 

Marianne ist unzufrieden darüber, daß 
ihr Mann Ludwig keine Zeit für sie und 
die Kinder hat, weil er beruflich so ein- 
gespannt und sehr viel unterwegs ist. 
Wenn sie ihn auf Probleme anspricht, 
zum Beispiel wegen der Kinder, sagt er 
ungeduldig: »Ach bitte regle Du das. 

Ich habe den Kopf so voll mit anderen 
Dingen.« Marianne konfrontiert ihn 
deswegen. 

Sie: »Mir fällt auf, daß wir kaum noch 
Zeit haben, um miteinander in Ruhe zu 
reden. Du bist sehr viel beruflich unter- 
wegs und überläßt miralies, was die 
Kinder und das Haus betrifft. Darüber 
bin ich ganz unzufrieden. Denn ich habe 
einiges auf dem Herzen, worüber ich 
gern mit Dir sprechen würde. Bist Du 
dazu bereit ?« 

Er: »Ich habe gerade soviel um die 
Ohren, das weißt Du doch. Kannst Du 
das nicht ohne mich klären ?« 

Sie (einfühlend zuhörend): »Dir wäre es 
lieber, ich würde jetzt nicht auch noch 
was von Dir wollen.« 

Er: »Ja, wirklich! Ich bin gerade in einer 
schwierigen Verhandlung, und auf mei- 
nem Schreibtisch türmt sich die Arbeit. 
Ich weiß schon gar nicht mehr, wo mir 
der Kopf steht. Jetzt kommst Du auch 
noch und willst was von mir.« 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Sie (einfühlend zuhörend): »Mein 
Wunsch erscheint Dir wie eine weitere 
Anforderung.« 

Er: »Allerdings!« 

Sie (umschaltend auf erneute konfron- 
tierende Ich-Aussage) »Ich beobachte 
seit einiger Zeit, daß wir uns immer 
fremder werden. Kaum bist Du zu Hause, 
mußt Du schon wieder Vorbereitungen 
für Deine nächsten Arbeitstermine 
treffen. Ich besorge Deine Wäsche und 

51 


packe Deinen Koffer für die nächste 
Reise. Zum Reden haben wir so gut wie 
keine Zeit.« 

Er: »Aber das hast Du doch vorher 
gewußt, daß ich viel unterwegs bin in 
meinem Beruf.« 

Sie (einfühlend zuhörend): »Du wun- 
derst Dich, daß ich mich beklage. 
(erneute Ich-Aussage) Ich habe mich 
zwar darauf eingestellt, daß Du viel 
arbeiten wirst, doch wenn dazwischen 
keine Zeit mehr bleibt für uns, dann 
frustriert mich das sehr.« 

Er: »Wie stellst Du Dir das denn vor? 
Morgen muß ich zum Beispiel zu einer 
Konferenz nach Wien. Dafür muß ich 
noch einiges vorbereiten. Ich mache die 
Termine nicht. Und Du profitierst doch 
auch davon, wenn die Geschäfte gut 
laufen.« 

Sie (einfühlend zuhörend): »Du kannst 
Dir im Moment nicht vorstellen, wie 
Du meinen Wunsch nach mehr Zeit 
füreinander in Deinem Terminkalender 
noch unterbringen kannst.« 

Er: »Ja, ich bin bis oben voll mit 
Terminen.« 

Sie: »Mir ist wichtig, daß wir hin und 
wieder Zeit füreinander haben, damit 
mir das Leben mit Dir Spaß macht.« 

Er: »Ja, mir liegt ja auch daran, daß wir 
nicht nur nebeneinander herleben. - 
Wie stellst Du Dir das denn vor?« 

Sie (macht einen Vorschlag, weil er sie 
konkret danach fragt und damit Offen- 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


heit signalisiert): »Ich wäre schon sehr 
zufrieden, wenn ich wüßte, daß wir- 
vielleicht alle zwei \A/ochen - einen 
Abend wirklich nur für uns hätten, ohne 
Kinder, ohne Telefonate, ohne Besuch 
oder Fernsehen, ausschließlich zum Mit- 
einandersein und Miteinanderreden.« 

Er: »Im Prinzip habe ich ja gar nichts 
dagegen. Nur das mit dem Reden macht 
mir Angst. Willst Du dann immer die Pro- 
bleme der letzten Wochen aufarbeiten?« 
Sie (einfühlend zuhörend): »Du wärst 
also grundsätzlich bereit, befürchtest 
nur, ich würde mit Dir vor allem über 
Probleme reden wollen. Das ist Dir nicht 
ganz geheuer.« 

Er: »Ja, genau!« 

Sie (erneute Ich-Aussage): »Mir liegt 
daran, daß wir uns überhaupt wieder 
mehr miteinander austauschen. Das 
kann auch heißen zu erzählen, was Dich 
oder mich gerade beschäftigt. Ich weiß 
im Grunde viel zu wenig, was Dich so 
bewegt und Du weißt es auch nicht von 
mir.« 

Er: »Na, gut, laß uns das mal machen. - 
In meinem Kalendersehe ich, daß es 
nächsten Mittwoch ginge. Würde Dir 
das passen?« 

Sie: »Ja, sehr gut! - Ich hab' da allerdings 
noch einen Ein wand: Wir hatten ähnli- 
che Verabredungen ja auch früher 
schon. Dann hast Du plötzlich angerufen 
und gesagt, Du hättest noch was Unauf- 
schiebbares zu erledigen und könntest 

52 


nicht kommen. Das hat mich jedes Mal 
sehr frustriert.« 

Er: »Das ist natürlich immer möglich, 
daß mal was dazwischen kommt. Meine 
Arbeit ist schließlich nicht irgendein 
Hobby.« 

Sie: »Ich möchte mich gern vor einer 
Enttäuschung bewahren, wenn es doch 
einmal nicht klappt. Ich habe keinen 
Überblick, wann Du besonders viel 
Arbeit hast. Was hältst Du davon, wenn 
wir zu jedem Termin noch einen Ersatz- 
termin vereinbaren, so daß Du nicht 
total gebunden bist und ich sicher sein 
kann, daß unser Gespräch sobald wie 
möglich stattfindet?« 

Er: »Du bist ganz schön anspruchsvoll. 
Aber gut, am kommenden Sonntag- 
abend hätte ich auch Zeit, wenn es am 
Mittwoch tatsächlich aus irgendeinem 
Grund nicht klappen sollte. Okay?« 

Sie: »Okay, Sonntag paßt mir auch. Toll! 
Ich freue mich sehr, daß unser Gespräch 
jetzt so ein konkretes Ergebnis gebracht 
hat.« 

Er: »Komm, laß Dich in den Arm neh- 
men.« 

Zu einem möglichen Mißverständnis 
vorweg: Es geht bei einem Konfrontati- 
onsgespräch nicht darum, starr nach 
Schema vorzugehen. 

Zu Beginn ihrer Konfrontation hörte 
Marianne immer wieder einfühlend zu, 
bevor sie ihrem Mann mit erneuten Ich- 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Aussagen deutlich machte, worum es 
ihr ging und was ihr Anliegen war. 
Marianne hielt sich zurück, gleich kon- 
kret vorzuschlagen, was sie von Ludwig 
möchte, denn vermutlich wäre von ihm 
starker Widerstand gekommen. Erst als 
Ludwig mehr Offenheit signalisierte 
[»Jo, mir liegt ja auch daran, daß wir 
nicht nur nebeneinander herleben...«), 
hat Marianne genauer gesagt, was sie 
sich wünscht. Hätte Ludwig auf ihren 
Vorschlag abwehrend reagiert, hätte 
Marianne wieder auf einfühlendes 
Zuhören umgeschaltet und ihn durch 
weitere Ich-Aussagen motiviert, einen 
eigenen Vorschlag zu machen. 

Vorbehalte, Zusatzvereinbarung 
und »Buße« 

Wichtig ist, eventuelle Vorbehalte mit 
ins Gespräch zu bringen, wie es Marian- 
ne am Schluß getan hat. Es wäre unfair, 
eine Vereinbarung mit Ihrem Partner zu 
treffen und innerlich Vorbehalte zu 
bewahren. Nehmen wir mal an, ein Paar 
hat nach einem längeren Gespräch eine 
Vereinbarung miteinander getroffen. 
Unmittelbar danach sagt der Mann mit 
einem spöttischen Lächeln: »Jetzt bin 
ich ja mal gespannt, ob das klappt. Bis- 
herhat noch nie was geklappt, was wir 
miteinander ausgemacht haben.« 

Das ist eine Abwertung des Partners. 
Wenn Sie befürchten, daß Ihr Partner 
sich nicht an Vereinbarungen halten 

53 


wird - vielleicht aufgrund negativer 
Erfahrungen in der Vergangenheit -, ist 
es wichtig, ihn zu diesem Punkt weiter 
zu konfrontieren und eine Zusatzverein- 
barung zu treffen, wie sie im Falle des 
Scheiterns der Absprache weiterverfah- 
ren werden. In unserem Beispiel drängte 
Marianne auf die Vereinbarung eines 
Ersatztermins. 

Die Zusatzvereinbarung könnte auch 
eine Form von »Buße« sein, die derjeni- 
ge zu leisten hat, der die Vereinbarung 
bricht. Sinnvollerweise sollten Sie etwas 
vereinbaren, von dem Sie beide etwas 
haben und das Sie noch mehr verbindet: 
einen Abend total verwöhnt werden, 
feudal zum Essen ausgeführt werden, 
eine Woche den anderen bekochen, sich 
um etwas kümmern, was Sie sonst dem 
Partner überlassen. Was eine sinnvolle 
Buße ist, hängt von Ihrer Lebenssitua- 
tion ab. Der tiefere Sinn ist, daß damit 
die Verfehlung abgegolten ist, vom 
»Sündenkonto« gestrichen wird und in 
künftigen Auseinandersetzungen nicht 
mehr erwähnt werden darf. 

Die Dringlichkeit des Anliegens 
deutlich machen 

Zurück zum Thema Konfrontieren: Sie 
können Ihren Partner nicht zu einem 
gewünschten Verhalten zwingen, aber 
Sie erfahren durch die Konfrontation 
schneller als Sie es vermutlich gewohnt 
sind, was der andere wirklich bereit 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


ist zu tun, um das Problem zu lösen. 
Indem Sie einfühlend zuhören, gelan- 
gen Sie schneller zum Kern des Wider- 
stands. 

Greifen wir das zweite Beispiel von 
Seite 48 nochmal auf: 

Gudrun konfrontiert Richard: »Dos 
Videogerät ist schon einige Zeit kaputt 
und Du hast versprochen, es zu reparie- 
ren. Ich möchte sehr gern morgen den 
neuen Französisch-Sprachkurs aufneh- 
men, kann das aber jetzt nicht machen, 
weil das Gerät nicht funktioniert. 
Dadurch entgeht mir die Möglichkeit, 
den Kurs mitzumachen, weil ich meist 
nicht zu Flause bin, wenn die Sendung 
läuft. Ich bin frustriert darüber.« 

Er (abwehrend) \»lch weiß noch nicht, 
ob ich es bis morgen reparieren kann.« 
Sie (einfühlend zuhörend): 


»Du willst das nicht versprechen.« 

Er: »Ja, das kommt jetzt so überra- 
schend.« 

Sie (umschaltend auf erneute Ich-Aus- 
sage): »Diese Sendung ist mir wichtig, 
weil ich gern mein Französisch auffri- 
schen möchte. Ich möchte sie sehr gern 
aufnehmen.« 

Er: »Eigentlich wollte ich heute abend 
die Steuer fertigmachen.« 

Sie (einfühlend zuhörend): »Dirkommt 
diese Sache ganz ungelegen. (Umschal- 
tend zu ihrem Anliegen) Für mich wäre 
dieser Sprachkurs eine gute Gelegenheit, 
ohne viel Aufwand was für mein Franzö- 
sisch zu tun. Wir wollten doch nächsten 
Sommer wieder mal nach Frankreich 
fahren.« 

Er: »Wenn Dir soviel darin liegt, werde 
ich mich heute abend hinsetzen und das 
Gerät reparieren.« 

Es geht beim Konfrontieren darum, 
die Dringlichkeit Ihres Anliegens 
so deutlich zu machen, daß Sie 
beim anderen eine Resonanz be- 
wirken. 


Gudrun hat keine Vorwürfe im Stil von 
»Wenn ich mal was von Dir will, hast Du 
nie Zeit für mich« gemacht, sondern 
zwischen einfühlendem Zuhören und 
Ich-Aussagen hin- und hergeschaltet. 


54 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten vorgehen 


Durch Gudruns wiederholte Ich-Aussa- 
gen - das kann manchmal auch eine 
Wiederholung des immer gleichen 
Anliegens sein - wird ein innerer 
(Such)Prozeß bei Richard angeregt. 

Die Lösung für das Problem kommt 
vom anderen, denn das ist die beste 
Garantie dafür, daß er sie auch 
umsetzen wird. 


Beobachten Sie, was passiert, wenn Sie 
selbst einen Lösungsvorschlag machen. 
Häufig wird Ihr Partner verstärkt wider- 
sprechen und Erklärungen bringen, wie- 
so es so nicht geht. 

Indem Sie sich in Ihren Partner durch 
einfühlendes Zuhören hineinversetzen 
und gleichzeitig durch Ich-Aussagen bei 
Ihrem Anliegen bleiben, motivieren Sie 
ihn, selbst nach einer Lösung zu suchen. 

Nicht inhaltlich auf die Abwehr 
eingehen 

Fangen Sie keine Diskussion über Argu- 
mente an, denn das hieße, sich auf den 
Widerstand inhaltlich einzulassen, also 
zum Beispiel eine Erörterung darüber 
anzufangen, ob die Steuer wirklich so 
dringlich ist. Sie geraten dadurch in 
unfruchtbare Diskussionen, bei denen 
Sie leicht Ihr Anliegen aus den Augen 
verlieren können. 

55 


Konfrontieren Sie stattdessen immer 
wieder erneut mit der Beschreibung der 
Situation, wie sich sein Verhalten für 
Sie auswirkt und welche Gefühle und 
Bedürfnisse Sie haben. Bringen Sie wie 
Gudrun auf den Punkt, worum es Ihnen 
geht: »Ich möchte gern die Lektionen 
aufnehmen können.« Dadurch fällt es 
Ihrem Partner leichter, sich in Sie ein- 
zufühlen, insbesondere, wenn er nicht 
abgewertet wird. Hätte Gudrun gesagt: 
»Ich möchte, daß das Videogerät wieder 
funktioniert«, hätte Richard ihr persön- 
liches Anliegen nicht so deutlich gehört 
und wäre vielleicht nicht in gleicher 
Weise motiviert worden. 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten vorgehen 


Das partnerschaftliche 
Klärungsgespräch 

»Wenn ich unsere Verbindung 
anschaue, schaue ich 
in einen Spiegel. 
Ich sehe mich, ich sehe Dich. 
Ich bin - und bleibe wahrscheinlich 
immer - in dem Prozeß gefangen, 
uns auseinanderzuhalten.« 

(Natalie Rogers) 

Während Sie ein Konfrontationsge- 
spräch jederzeit und mit jedem Gegen- 
über führen können, eignet sich das 
partnerschaftliche Klärungsgespräch 
insbesondere für Themen, für die Sie 
mehr Zeit brauchen, und nur dann, 
wenn Ihre Partnerin bereit und fähig 
ist, Ihnen ebenfalls zuzuhören. 

Die Paare, die es beherrschen, mitein- 
ander konstruktive partnerschaftliche 
Klärungsgespräche zu führen, schaffen 
eine wesentliche Basis für eine lang- 
fristig funktionierende Beziehung. 

Auch wenn der Ausgangspunkt für 
ein solches Gespräch gewöhnlich ein 
Konflikt ist, wirkt die Erfahrung, ihn 
gemeinsam angehen zu können, sehr 
belebend und stärkend auf die Bezie- 
hung. 

Voraussetzung für ein positiv verlaufen- 
des partnerschaftliches Klärungsge- 
spräch ist, daß beide bereit sind, nach 

56 


den Regeln des Fairen Streitens mitein- 
ander einen Konflikt zu bearbeiten - 
also in Ich-Aussagen zu sprechen, das 
störende Verhalten zu beschreiben, den 
anderen nicht abzuwerten und ein- 
fühlend zuzuhören. Gewöhnlich gelingt 
das einem Paar nur, wenn beide guten 
Willens sind, ihre Konflikte miteinander 
offen und kooperativ anzugehen 
(-> Seite 1 1). 

In schwierigen Situationen sollten Sie 
sich eine dritte Person suchen, die die 
Rolle des Vermittlers oder Klärungs- 
helfers (die heute übliche Bezeichnung 
ist Mediatorin) übernimmt. Das könnte 
eine Freundin oder ein Freund sein, die 
Sie beide als Vermittlerin akzeptieren, 
oder dafür ausgebildete Therapeuten. 

Regeln für das Klärungsgespräch 

Wichtig für das Klärungsgespräch ist, 
einen geschützten Rahmen zu schaffen. 
• Bitten Sie Ihre Partnerin ausdrücklich 
um ein Klärungsgespräch, wenn Sie 
etwas irritiert oder Sie ärgerlich sind 
über ein Verhalten Ihrer Partnerin, zum 
Beispiel: »Ich möchte überdas Thema 
gern mal in Ruhe mit Dir reden. Wann 
hast Du Zeit?« 

Damit schaffen Sie einen Rahmen, in 
dem Sie beide sich ganz auf das 
Gespräch konzentrieren können, ohne 
durch etwas abgelenkt zu werden. 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


• Legen Sie gemeinsam einen Termin 
fest, der für Sie beide angenehm ist. 
Vielleicht haben Sie erst die nötige 
Ruhe, wenn die Kinder zu Bett sind, 
oder Sie müssen erst eine Arbeit ab- 
schließen, um den Kopf für ein solches 
Thema freizuhaben. Der Erfolg des 
Gesprächs hängt sehr wesentlich 
davon ab, daß Sie beide innerlich dafür 
bereit sind und nicht widerstrebend 
einen Ihnen wichtigen Termin opfern 
mußten. 

Bei einem Thema bleiben 

Die weit verbreitete Gewohnheit, von 
einem Punkt zum nächsten zu springen, 
ist eine der sichersten Methoden, Kon- 
fliktgespräche ergebnislos und für beide 
frustrierend enden zu lassen. 

• Beschränken Sie sich auf einen Punkt 
statt einen ganzen Beschwerdenkatalog 
aufzuzählen. Es kann immer nur ein 
Punkt nach dem anderen besprochen 
werden, und meist ist es sinnvoll, sich 
zunächst auf ein wichtiges Thema zu 
beschränken. Denken Sie daran, es geht 
nicht darum, Ihre Partnerin als Schuldi- 
ge festzumachen, sondern befriedigen- 
de Lösungen für ein Problem zu finden. 
Deshalb: Ein Thema ist genug für ein 
Gespräch. 

Wenn Ihre Partnerin auf andere Themen 
zu sprechen kommt, sagen Sie: »Wenn 
Dir dieses Thema wichtig ist, können wir 
darüber später reden. Jetzt würde ich 

57 


gern bei diesem Thema bleiben. Ist das 
für Dich in Ordnung ?« 

• Womöglich müssen Sie sich erst eini- 
gen, welches Thema behandelt werden 
soll, es sei denn, Sie haben von Anfang 
an klar gesagt, worüber Sie sprechen 
möchten. 

Bei sich selbst bleiben 

• Beschreiben Sie das Verhalten Ihrer 
Partnerin, das für Sie ein Problem ist, 
ohne es zu bewerten. Dabei ist es wich- 
tig, daß Sie von sich selber sprechen, 
statt den anderen zu beschuldigen. 

Zum Beispiel können Sie statt des Vor- 
wurfs »Du zeigst deine Gefühle nicht« 
sagen: »Als wir über... gesprochen 
haben, bist Du aufgestanden und in die 
Küche gegangen. Später hast du dann 
gesagt, daß Du Dich sehr geärgert hast. 
Ich würde in einem solchem Moment 
gern verstehen, was in Dir vorgeht und 
weshalb Du ärgerlich bist.« 

• Seien Sie wachsam für Abwertungen 
und Du-Botschaften. Wenn Sie sich 
selbst dabei ertappen, daß Sie in 
Du-Botschaften reden, könnten Sie das 
so korrigieren: »Ich merke, daß ich die 
Sache jetzt so darstelle, als wenn Du 
schuld wärst. Mir geht es in diesem 
Gespräch aber nicht um die Frage, wer 
schuld ist, sondern wie wir die Sache 
für uns beide befriedigend lösen können. 
Ich will deshalb versuchen, die Sache 
nochmal anders auszudrücken.« 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Beschreiben Sie jetzt das störende 
Verhalten Ihrer Partnerin. 

Zeit lassen für das Ausdrücken 
von Gefühlen 

• Teilen Sie sich Ihre Gefühle und 
Bedürfnisse mit und räumen Sie sich 
beiden genug Zeit ein, um alle Gefühle, 
Bedürfnisse und Verletzungen auszu- 
drücken, ohne dabei jedoch den ande- 
ren anzuklagen. Akzeptieren Sie die 
Gefühle so, wie sie sind. 

• Fragen Sie Ihre Partnerin, nachdem 
sie Ihre Botschaft wiederholt hat: »Ich 
würde gern wissen, wie Du darüber 
fühlst.« Damit bewirken Sie, daß sie 
nicht auf Ihre Gedanken reagiert, son- 
dern ihre eigenen Gefühle mitteilt. 

• Probleme können nur in der Gegen- 
wart gelöst werden. Keine »alten 
Kamellen« aus der Vergangenheit her- 
vorholen: » Damals bei Deinem Seiten- 
sprung mit Bernd hast Du mich auch 
angelogen«. Wenn Sie sich wegen eines 
Geschehens in der Vergangenheit noch 
unversöhnlich fühlen, sollten Sie das 
Ihrer Partnerin sagen. Manchmal löst 
sich eine Kränkung dadurch auf, daß 
der andere bereit ist, sich die Beschwer- 
de einfühlend anzuhören, ohne sie 
abzutun oder zu verleugnen. Wenn dies 
nicht ausreicht, kann auch eine »Buße« 
(-► Seite 53) ausgehandelt werden. 


Zuhören 

• Fordern Sie Ihre Partnerin zum 
Zuhören auf, wenn Sie das erste Mal 
ein solches Gespräch miteinander 
führen. Denn damit der Prozeß des 
gemeinsamen Klärungsgesprächs 
gelingt, sollten nicht nur Sie einfühlend 
zuhören. Sie könnten sagen: »Bevor 
wir überdas Thema sprechen, möchte 
ich gern einen Vorschlag machen. Ich 
möchte, daß wir, bevor wir etwas er- 
widern, zuerst sagen, was wir verstan- 
den haben. Das soll sicherstellen, daß 
wir uns tatsächlich zuhören und ver- 
stehen. Bist Du bereit, das auszupro- 
bieren?« 

Durch das Wiederholen dessen, was Sie 
vom anderen gehört haben, wird der 
»Schlagabtausch« vermieden, der sonst 
so schnell zu einer destruktiven Streit- 
dynamik führt. 

Mini-Veränderungen anstreben 

• Den Veränderungswunsch konkret 
benennen und flexible Mini-Verände- 
rungen anstreben statt allgemeiner 
Maximalforderungen. Je konkreter Sie 
sich ausdrücken, umso einfacher ist es 
für Ihre Partnerin, auf Ihren Wunsch 
einzugehen und umso leichter läßt sich 
später feststellen, ob Ihr Wunsch erfüllt 
wurde. 


58 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Zum Beispiel: »Ich möchte, daß wir alle 
zwei Wochen einen Abend nur für uns 
haben.« statt »Du sollst mehr Zeit für 
mich haben.« 

Vereinbarungen aushandeln 

• Konkrete Vereinbarungen für die 
Zukunft aushandeln, das heißt, eine 
Vereinbarung treffen, die klar und 
unmißverständlich formuliert und für 
beide Seiten verbindlich ist. Beispiel: 
»Jeden Mittwoch habe ich ab 19 Uhr 
einen freien Abend und Du übernimmst 
die Kinder. Sollte das einmal nicht mög- 
lich sein, vereinbaren wir einen anderen 
freien Abend für mich.« Beide sollten der 
gefundenen Lösung ohne Vorbehalte 
zustimmen können. 

• Was passiert nun, wenn sich eine Ver- 
einbarung aus irgendwelchen Gründen 
nicht durchhalten läßt und einer der 
beiden starr darauf beharrt und den 
Partner als unzuverlässig beschuldigt? 
Das Bedürfnis zu bestrafen, Unerbitt- 
lichkeit und mangelnde Kooperations- 
bereitschaft sind Signale für alte »Rech- 
nungen«, die noch offenstehen. Sie bei- 
de müßten sich dann Zeit nehmen, aus- 
führlich über die Verletzungen in der 
Vergangenheit zu sprechen, aus denen 
das Mißtrauen resultiert. Die Basis einer 
guten Beziehung ist Vertrauen zueinan- 
der. Beziehungen, in denen Sie innerlich 
Vorbehalte gegeneinander hegen, sind 
Dauerstreß, weil Sie diese Vorbehalte 

59 


schon bei geringfügigen Anlässen als 
Beschuldigungen ausdrücken werden. 

• Es empfiehlt sich, einen Zeitpunkt 
festzulegen, an dem die Vereinbarung 
nochmal überprüft wird. Sollte sie nicht 
funktionieren, müßten Sie neu verhan- 
deln. 


Ablaufeines Klärungsgesprächs 

Der Ablauf des partnerschaftlichen 
Klärungsgesprächs gliedert sich in drei 
Phasen: 

1 . Die Beschwerde Vorbringen 

- Beschreibung des störenden Ver- 
haltens und Ausdrücken der Bedürf- 
nisse beider Partner 

2. Verhandeln 

- Aushandeln der Veränderung 
unter Berücksichtigung der Bedürf- 
nisse beider Partner 

3. Vereinbaren 

- eine verbindliche Übereinkunft 
treffen 


Ich will diese drei Phasen an einem 
Beispiel darstellen. Thema ist eine 
Beschwerde, die Bertram an seine Frau 
Anna hat. Er hat sie deswegen schon 
des öfteren konfrontiert, doch Annas 
Verhalten hat sich nicht grundlegend 
verändert. Da beide zusammen in 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Urlaub fahren wollen, wird das Problem 
bald wieder akut sein. Bertram bat 
Anna deshalb um ein Klärungsgespräch. 
Beide sind interessiert daran, den Kon- 
flikt zu lösen. 

1. Die Beschwerde Vorbringen 

Bertram beginnt mit der Beschreibung 
seiner Beschwerde. 

Er: »Wenn wir etwas gemeinsam Vor- 
haben - einen Ausflug machen, zusam- 
men ins Theater gehen oder ähnliches, 
passiert immer wieder das Gleiche: Wir 
machen eine Zeit aus, wann wir gehen 
wollen. Ich bin dann fertig und Du nicht. 
Im allgemeinen dauert es 20 Minuten 
oder noch länger, bis Du ausgehbereit 
bist. Ich bin jedesmal sehr frustriert.« 
Anna hat jetzt zuerst die Aufgabe, Ber- 
trams Beschreibung seiner Beschwerde 
zu wiederholen, ohne etwas zu verdre- 
hen oder Wesentliches wegzulassen: 
Sie: »Dein Problem mit mir ist, daß ich 
oft nicht fertig bin, wenn wir etwas 
zusammen unternehmen wollen und 
dafür eine Zeit ausgemacht haben.« 

Am Schluß sollte sie sich vergewissern: 
»Habe ich Dich so richtig verstanden ?« , 
»Stimmt das so?« 

Bertram bestätigt zuerst, ob Anna ihn 
richtig wiedergegeben hat, dann darf 
Anna ihrerseits sagen, wie sie die Situa- 
tion oder das Problem sieht. 

Sie: »Es stimmt, ich brauche manchmal 

60 


etwas länger. Aber ich muß ja oft noch 
Sachen erledigen, um die Du Dich nicht 
kümmerst, zum Beispiel für den Ausflug 
Essen für's Picknick ein packen oder das 
Geschirr in die Spülmaschine räumen. 
Dann komme ich zu mir selbst halt erst 
am Schluß, und das sieht für Dich so aus, 
als wenn ich für meine Toilette so lang 
brauche. Aber das ist nicht so.« 

Jetzt ist Bertram an der Reihe, wieder- 
zugeben, was er gehört hat (beim 
Klärungsgespräch sollten Sie manches 
sogar wortwörtlich wiederholen. Damit 
bestätigen Sie: »Ich habe wirklich 
zugehört!). 

Er: »Du meinst, Du verspätest Dich oft, 
weil Du vorher noch Dinge erledigst, um 
die ich mich nicht kümmere. Deshalb 
würdest Du erst am Schluß dazu kom- 
men, Dich selbst fertigzumachen.« 

Wenn Anna sich richtig verstanden 
fühlt, darf Bertram nun sagen, wie er 
die Situation erlebt. 

Für Bertram dürfte an dieser Stelle 
die Versuchung groß sein, auf Annas 
Vorwurf einzugehen, daß er sich um 
einige Dinge nicht kümmern würde, 
und sich in diesem Punkt zu rechtfer- 
tigen. Da eine Veränderung der Aufga- 
benverteilung von Anna aber nicht the- 
matisiert wurde, täte er gut daran, bei 
seinem Anliegen zu bleiben, anstatt 
durch eine Verteidigung und Erklärung 
ein weiteres Thema ins Gespräch zu 
bringen. 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Er: »Es mag sein, daß es da manchmal 
Sachen gibt, die Du vorher zu erledigen 
hast. Doch ich möchte Dir gern die letzte 
Situation von voriger Woche beschrei- 
ben, die ein Beispiel dafür ist, was ich 
schon häufig mit Dir erlebt habe. 

Ich meine das Essen bei meinem Chef. 

61 


Ich hatte Dich vorher gebeten, diesmal 
pünktlich fertig zu sein, weil ich ungern 
zu spät bei ihm und seiner Frau erschei- 
nen wollte. Wir hatten vereinbart, 
abends um sieben loszu fahren. Du stehst 
um sieben vordem Spiegel, fönst Deine 
Haare und sagst, Du brauchst noch fünf 
Minuten. Um viertel nach sieben warst 
Du dann fertig. Wir kamen 20 nach acht 
dort an. Ich war besonders frustriert, 
weil Du mir vorher ausdrücklich ver- 
sprochen hattest, diesmal wirklich 
pünktlich fertig zu sein.« 

Bertram und Anna wechseln nun solan- 
ge die Rollen, bis alle Irritationen und 
Gefühle ausgesprochen wurden und 
jeder sich sicher ist, daß der andere sei- 
ne Bedürfnisse und seine Sichtweise des 
Problems verstanden hat - was nicht 
heißt, daß diese Sichtweise akzeptiert 
werden muß. 

Sobald Anna also Bertrams Problem mit 
ihrem Verhalten versteht und aner- 
kennt, beginnt die zweite Phase. 

2. Verhandeln 

Anders als bei der Konfrontation kann 
in der Phase des Verhandelns in einem 
partnerschaftlichen Klärungsgespräch 
ein konkreter Veränderungswunsch 
genannt werden. Es wird dann darüber 
verhandelt, inwieweit die Partnerin 
diesen Wunsch erfüllen will oder wie 
sie ihn abwandeln möchte. 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Zurück zu Bertram und Anna: 

Er: »Ich wünsche mir, daß Du Dich künf- 
tig an Vereinbarungen hältst, also zum 
vereinbarten Zeitpunkt fertig bist. Da 
wir das ja schon so oft diskutiert und 
versucht haben, schlage ich zusätzlich 
vor: Du sagst mir frühzeitig, wenn Du 
merkst, daß es noch Dinge zu erledigen 
gibt, von denen ich Dir was abnehmen 
könnte. Meinetwegen könnten wir auch 
gleich dann, wenn wir einen Termin ver- 
abreden, darüber sprechen, was vorher 
erledigt werden muß, und diese Aufga- 
ben aufteilen. Was meinst Du dazu?« 

Auch in dieser Phase des Gesprächs 
wird Anna zuerst Bertram zurückmel- 
den, was sie gehört hat. Danach kann 
Anna ihre Einwände und Bedenken ein- 
bringen, sofern sie den Wunsch nicht in 
der vorgeschlagenen Form erfüllen will. 
Beide wechseln wieder solange die Rol- 
len, bis sie eine für beide akzeptable 
Lösung finden. Sowohl Anna als auch 
Bertram können Ideen einbringen. 

3. Vereinbaren 

Nehmen wir mal an, Anna und Bertram 
haben sich darauf geeinigt, schon bei 
der Planung einer gemeinsamen Unter- 
nehmung darüber zu sprechen, was vor- 
her zu erledigen ist, und die Aufgaben 
entsprechend aufzuteilen (zum Beispiel: 
»Wer übernimmt die Vorbereitungen 
für's Picknick?«). Sie vereinbaren, es so 

62 


für die nächsten vier Wochen auszu- 
probieren und dann nochmal über ihre 
Erfahrungen zu sprechen. 

Die Wirkung eines erfolgreichen 
Klärungsgesprächs können Sie durch 
eine Belohnung und gegenseitige 
Bestätigung vertiefen, entweder durch 
eine verbale Anerkennung, mit einer 
Umarmung oder einem Kuß. Das ver- 
stärkt die positive Erfahrung: Ja, wir 
können Konflikte gemeinsam klären. 

Beispiel: Die freie Stunde 

Hier ein Beispiel für das Verhandeln 
über Wünsche, der einfacheren Form 
eines Klärungsgesprächs, das bereits 
mit der Stufe zwei beginnt, das heißt 
Sie rücken frühzeitig mit Ihrem Wunsch 
an den anderen heraus, bevor Sie 
anfangen, ärgerlich zu sein. 

• Sabine und Norbert haben zwei Kin- 
der von zwei und vier Jahren. Sabine ist 
zur Zeit Hausfrau, Norbert arbeitet täg- 
lich bis fünf Uhr in einem Büro. Sabine 
hat einen ganz konkreten Wunsch an 
Norbert. Der erste Teil eines Klärungs- 
gesprächs (die Beschwerde) kann des- 
halb wegfallen. Sabine könnte aber 
auch mit einer Beschreibung der 
Situation beginnen, um Norbert ihren 
Wunsch verständlicher zu machen. 

Sie: »Ich wünsche mir, daß Du täglich 
für eine Stunde die Kinder nimmst, weil 
ich gern hätte, daß sie nicht nur an mir 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


hängen, sondern ihr auch miteinander 
einen engeren Kontakt aufbaut.« 

Er (gibt zuerst Rückmeldung): »Du 
möchtest, daß ich täglich für eine Stun- 
de die Kinder nehme, damit ich zu den 
Kindern mehr Kontakt habe und sie 
nicht nur an Dir hängen. (Eigene Stel- 
lungnahme) Ich habe mich doch bisher 
auch oft um die Kinder gekümmert, oft 
sogar viel länger als eine Stunde. Ich 
weiß nicht, ob ich mich verpflichten will, 
mich jetzt jeden Tag eine Stunde mit 
ihnen zu beschäftigen.« 

Sie (gibt zuerst Rückmeldung): »Du bist 
Dir nicht sicher, ob Du Dich verpflichten 
willst, die Kinder jeden Tag für eine 
Stunde zu nehmen. (Eigene Stellung- 
nahme) Mir bedeutet das viel, wenn ich 
weiß, Du machst jeden Tag etwas mit 
den Kindern. Ich glaube, diese Konti- 
nuität ist für die Kinder wichtig, und ich 
würde auch gern jeden Tag einfach eine 
Stunde für mich haben, in der ich was 
machen kann, ohne daß die Kinder dau- 
ernd an mir dranhängen.« 

Er (Rückmeldung): »Dir ist es gerade 
wichtig, daß es täglich ist - wegen der 
Kinder und auch für Dich se/öst.(Eigene 
Stellungnahme) Ich wäre bereit, sie 
dreimal in der Woche zu übernehmen, 
denn manchmal muß ich was erledigen, 
wie zum Beispiel letzte Woche, als ich 
Ernst beim Bau seiner Garage geholfen 
habe, wo ich die Kinder nicht mitneh- 
men kann. Und die Wochenenden 

63 


verbringen wir ja eh gemeinsam.« 

Sie: »Du willst die Kinder nur dreimal 
unter der Woche nehmen, weil Du 
manchmal was zu erledigen hast. Und 
die Wochenenden möchtest Du ganz 
ausklammern, weil wir die nach Deiner 
Meinung eh gemeinsam verbringen. 

Ich möchte aber gern, daß Du sie jeden 
Tag für eine Stunde nimmst, auch an 
den Wochenenden. Wenn Du mal was 
machen mußt, wo Du Dich nicht um sie 
kümmern kannst, könnten wir darüber 
sprechen. Aber am Wochenende habe 
ich meistens auch die Kinder, sofern wir 
nicht was gemeinsam unternehmen. 
Deshalb möchte ich, daß Du sie auch am 
Wochenende für eine Stunde nimmst. 

Ich möchte einfach gern jeden Tag eine 
Stunde ohne Kinder sein.« 

Er: »Dir liegt sehr daran, daß ich die Kin- 
der täglich für eine Stunde nehme. (Die 
Rückmeldung kann sich im späteren 
Verlaufeines Gesprächs, wenn sicher- 
gestellt ist, daß sich beide zuhören, auf 
den wesentlichen Punkt beschränken.) 
Gut! Ich wäre bereit, täglich die Kinder 
für eine Stunde zu übernehmen, wenn 
ich dafür auch täglich eine Stunde für 
mich allein habe, in der ich mich zurück- 
ziehen kann, ohne daß jemand stört.« 
Sie: »Ja, einverstanden! Damit habe ich 
kein Problem. Du nimmst täglich für 
eine Stunde die Kinder und kannst eine 
Stunde ungestört für Dich haben.« 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


m weiteren Fortgang des Gesprächs 
müßten sich Sabine und Norbert dar- 
über einigen, ob es einen festen Zeit- 
punkt geben soll, zu dem er die Kinder 
nimmt und wann ersieh zurückziehen 
<ann (gleich nach der Arbeit, vor dem 

Abendessen oder zu keinem festen Zeit- 
punkt). Günstig wäre auch, wenn beide 
miteinander ausmachen, wie lange die 
»Probephase« dauern soll und wann sie 
sich über die gefundene Regelung 
nochmal unterhalten. 

Schwierige Fälle 

Vielleicht sagen Sie nun, das ist ja 
alles schön und gut, aber mit meiner 
Partnerin beziehungsweise meinem 
Partner geht das alles nicht. Die / der 
ist überhaupt nicht dazu bereit, sich 
auf solche Gespräche einzulassen 
und tut das als »Psychokram« ab. 

Was machen Sie dann? 

Konflikte gemeinsam bewältigen und 
sich aufeinander einzustellen sind so 
grundlegende Eigenschaften einer 
guten Beziehung, daß Sie einen 
hohen Preis zahlen (zum Beispiel in 
Form einer untergründigen Depressi- 
on oder psychosomatischer 
Beschwerden), wenn Sie langfristig 
Ihre Bedürfnisse immer wieder 
zurückstellen. Deshalb empfehle ich 
Ihnen, einmal darüber nachzudenken, 
inwieweit diese Partnerschaft Ihnen 
das gibt, was Sie brauchen. Wieviel 
Zugeständnisse machen Sie, und wie 
glücklich fühlen Sie sich in dieser 
Beziehung? Lesen Sie hierzu weiter 

im Kapitel »Indirekte Aggression« 

(-► Seite 80). 

Es kann aber auch sein, daß Sie die 
mangelnde Kooperationsbereitschaft 
Ihres Partners akzeptieren, weil Sie 
sich bewußt entschieden haben, in 
dieser Beziehung zu bleiben. Viel- 
leicht meinen Sie, daß die Vorteile 
dieser Partnerschaft die Nachteile 
überwiegen, zum Beispiel weil Sie 
gemeinsam Kinder haben. In diesem 
Fall wäre es gut, wenn Sie Ihre Auf- 
merksamkeit darauf konzentrieren, 
wie Sie gut für sich selbst sorgen und 
sich selbst unterstützen, egal was Ihr 
Partner tut. Unabhängig davon, 
inwieweit Sie die hier empfohlenen 
Fair-Streit-Regeln mit Ihrem Partner 
anwenden können, werden sie Ihnen 
helfen, in vielen Situationen Ihres 
Alltags selbstbewußt und einfühlsam 
mit anderen Menschen umzugehen 
und somit Ihre persönliche Kompe- 
tenz erhöhen. 

54 



Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Konflikte aufgrund 

verschiedener 

Wertvorstellungen 

Sie wissen bereits, daß wir Konflikte 
danach unterscheiden, ob es um die 
Beeinträchtigung unserer Bedürfnisse 
geht oder um unterschiedliche Wert- 
vorstellungen. Diese Unterscheidung ist 
notwendig, weil Sie für die beiden Kon- 
fliktarten unterschiedliche Bewälti- 
gungsmethoden brauchen. Mit den bis- 
her vorgestellten Strategien können Sie 
ßecfürfn/skonflikte angehen. Doch wie 
lösen Sie Konflikte aufgrund von Wert- 
kollisionen? 

Woran erkennen Sie 
Wertkonflikte? 

Haben Sie manchmal das Gefühl, Sie 
streiten »um des Kaisers Bart«? Die 
Argumente Ihres Partners sind Ihnen 
nicht einsichtig und Sie können sie 
schwer nachvollziehen. Dann erleben 
Sie wahrscheinlich miteinander eine 
Kollision (das heißt einen Zusammen- 
stoß) Ihrer Wertvorstellungen. 

Dies sind unsere Bewertungen über das, 
was gut und richtig ist, was »sich 
gehört« und was »sich nicht gehört«. 
Wertvorstellungen sind häufig an dem 
verallgemeinernden man erkennbar. Es 
sind unsere tiefverwurzelten Überzeu- 
gungen, Meinungen und persönlichen 

65 


Neigungen. Kollisionen der unterschied- 
lichen Wertvorstellungen werden in 
zwischenmenschlichen Begegnungen 
und erst recht in einer Partnerschaft 
unvermeidlich auftauchen. 

Ob ein Problem ein Bedürfnis- oder 
ein Wertkonflikt ist, kann von Fall zu 
Fall unterschiedlich sein und ist ab- 
hängig davon, ob das störende Ver- 
halten für Sie unmittelbare Folgen hat 
(-► Seite 45). 

Hier ein paar Hinweise auf einen 
Wertkonflikt (nach Linda Adams): 

• Sie akzeptieren das Verhalten Ihres 
Partners nicht, obwohl es Sie nicht 
unmittelbar beeinträchtigt. 

• Ihr Partner weigert sich trotz Ihrer 
Konfrontation, sein Verhalten zu 
verändern, weil er Ihre Sichtweise nicht 
nachvollziehen kann oder will. 

• Ihr Partner sieht in seinem Verhalten 
überhaupt kein Problem. 

Beispiel: Raucher 

Nehmen wir an, Ihr Partner raucht auf 
der Terrasse. Sie stören sich daran, weil 
Sie sich um seine Gesundheit sorgen. 

Hier handelt es sich um einen Wertkon- 
flikt, weil das Verhalten Ihres Partners 
Sie nicht unmittelbar beeinträchtigt. 
Raucht er dagegen im Wohnzimmer 
und die rauchige Luft stört Sie und Sie 
fühlen sich unwohl damit, handelt es 
sich um einen Bedürfniskonflikt. 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Beispiel: Wohnungsputz 
Ulla und Reinhard streiten sieh wegen 
der wöchentlichen Reinigung der 
gemeinsamen Wohnung. Beide sind 
berufstätig. Ulla möchte gern, daß sie 
und Reinhard gemeinsam einmal in der 
Woche die Wohnung putzen. Reinhard 
meint, Putzen sei etwas so Unerfreu- 

66 


Hohes, daß er - da sie beide gut verdie- 
nen - liebereine Putzfrau engagieren 
würde. Ulla daraufhin: »Das ist wieder 
mal typisch Mann, immer sind es die 
Frauen, die putzen sollen.« Sie ist gegen 
seinen Vorschlag, weil sie meint, er 
müßte auch einmal solche Arbeiten 
»erfahren«. 

Ullas Argumentation ist Hinweis auf 
einen Wertkonflikt. Ihre Wertvorstel- 
lung ist: Es gibt Arbeiten, die gewöhn- 
lich von Frauen gemacht werden, und 
man muß Männer dazu »erziehen«, sie 
auch mal zu übernehmen. 

Mit den Konfliktbewältigungsmetho- 
den, die wir bisher vorgestellt haben, 
wird Ulla hier nicht weit kommen. 

Denn Bedürfnis- und Wertkonflikte 
sind zwar von der emotionalen Bedeu- 
tung, die sie haben können, gleichran- 
gig, sie sind aber nicht in gleicher Weise 
beeinflußbar. Die Bearbeitung eines 
Wertkonflikts ist schwieriger und kom- 
plexer - sofern Sie nicht unmittelbar 
in der Befriedigung eines Bedürfnisses 
beeinträchtigt werden -, denn Sie wer- 
den Mühe haben, in für andere nach- 
vollziehbarer Weise zu begründen, 
weshalb Ihr Partner sein Verhalten 
ändern soll. 

Die Unterscheidung zwischen einem 
berechtigten Bedürfnis und einem 
Wunsch führt in Fair-Streit-Seminaren 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


oft zu heftigen Diskussionen. Ein Mann 
sagte zum Beispiel: »Ich habe das 
Bedürfnis, daß meine Frau eine gute 
Figur hat und etwas für ihre Fitness tut.« 
Ein Gespräch im Freundeskreis kann 
unter Umständen helfen, solche »schie- 
fen« Sichtweisen geradezurücken. 

Wertvorstellungen verändern 

Wenn Sie einen Konflikt als Wertkon- 
flikt erkennen, können Sie viel Energie 
sparen, indem Sie nicht um jeden Preis 
versuchen, Ihren Partner zu verändern, 
denn Wertvorstellungen lassen sich 
nicht direkt beeinflussen. Deshalb liegt 
der Schwerpunkt dieses Buches auf dem 
Umgang mit Bedürfniskonflikten. Trotz- 
dem möchte ich Ihnen einige Hinweise 
geben, was Sie bei Wertkonflikten tun 
können. 

Verständnis füreinander entwickeln 
Versuchen Sie, die Unterschiede zwi- 
schen sich und Ihrem Partner zu verste- 
hen. Hierfür brauchen Sie einfühlendes 
Zuhören und die Fähigkeit, Ihre Vorstel- 
lungen abwertungsfrei in Ich-Aussagen 
mitzuteilen. Durch die Herausarbeitung 
der unterschiedlichen Wertvorstellun- 
gen werden Sie Wichtiges und Wesent- 
liches voneinander erfahren. 

Manchmal genügt dies, um Wertkon- 
flikte zu entschärfen oder sogar auf- 
zulösen. 

67 


Konfrontieren 

Konfrontieren Sie oder führen Sie ein 
Klärungsgespräch, wenn es in dem 
Wertkonflikt störende Verhaltensweisen 
Ihres Partners gibt, die Sie konkret 
beeinträchtigen. Dies könnte zum 
Beispiel in dem unter dem nächsten 
Punkt beschriebenen Beispiel von Otto 
und Sieglinde der Fall sein. 

Akzeptieren 

Lernen Sie Unterschiedlichkeiten ak- 
zeptieren und damit leben. Hierein 
positives Beispiel von einem »unglei- 
chen Paar«, das zugleich zeigt, daß in 
einem Wertkonflikt viele kleine Bedürf- 
nisse enthalten sein können. Sie alle 
ausfechten zu wollen, wäre ein endloser 
Kampf. 

• Otto ist ein sehr pedantischer 
Mensch, seine Frau Sieglinde ist eher 
der Typ >kreative Chaotin«. Da Sieglinde 
für den Haushalt zuständig ist, ent- 
spricht die Ordnung im Haus längst 
nicht Ottos Vorstellungen von einem 
gemütlichen Heim. Nur in Ottos 
Arbeitszimmer ist alles penibel geord- 
net und aufgeräumt. 

Dazu Otto: »Ich habe inzwischen akzep- 
tiert, daß Sieglinde in diesem Punkt 
einfach anders ist und wir uns da wohl 
nie annähern werden. Irgendwann habe 
ich begriffen, daß es ein endloser und 
aufreibender Kampf ist, sie verändern zu 
wollen, obwohl ich manchmal sehr unter 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


ihrer chaotischen Art leide. Wenn es mir 
zu sehr auf die Nerven geht, ziehe ich 
mich halt in mein Arbeitszimmer zurück 
und erinnere mich an Sieglindes Humor 
und Temperament. Das versöhnt mich 
wieder. 

Die eigenen Wertvorstellungen ändern 
Es ist wichtig, daß Sie Ihre Wertvorstel- 
lung aufgrund Ihres eigenen Entschlus- 
ses verändern, also freiwillig und nicht, 


4 

■* 

* 


68 


um sich den Vorstellungen Ihres Part- 
ners zu fügen. 

Im Beispiel oben hat Otto seine Wert- 
vorstellung nicht verändert, sondern 
versucht, sich mit Sieglindes Lebensstil 
zu arrangieren. Es wäre aber auch denk- 
bar, daß er im Zusammenleben mit 
Sieglinde merkt, wieviel Zeit und Ener- 
gie ihm seine Pedanterie kostet, und 
daß ihm eine größere Bereitschaft, öfter 
mal fünfe gerade sein zu lassen, mehr 
Lebensfreude und Zeit für Wesentliches 
schenkt. Aus dieser Erkenntnis heraus 
würde er in Sieglindes Verhalten mehr 
das Positive sehen und würde nicht 
mehr darunter leiden. 

Dieser flexible Umgang mit Wertkon- 
flikten erfordert natürlich einiges an 
Reife und Reflexionsbereitschaft. 

Kompetent beraten 
Nehmen wir an, Ihr Partner macht 
wenig für seine Fitness und neigt zu 
Übergewicht. Es ist in Ordnung, wenn 
Sie ihm einmal sagen - sofern er bereit 
ist, Ihnen zuzuhören -, daß Sie sich über 
seine Gesundheit Gedanken machen, 
und ihm erzählen, was Sie über die 
Zusammenhänge von Übergewicht, 
Bluthochdruck und Herzinfarktgefähr- 
dung wissen. 

Wenn Sie es jedoch, ohne daß Ihr Part- 
ner darum gebeten hat, öfter wiederho- 
len würden, wäre das keine kompetente, 
sondern eine penetrante »Beratung«. 


Copyrighted material 


Wie Sie bei Konflikten Vorgehen 


Zur Beratung gehört auch, daß Sie 
Ihrem Partner die Freiheit lassen, Ihren 
Rat umzusetzen oder nicht. 

Die Beziehung verändern 
Die Beziehung durch Distanz (getrennte 
Schlafzimmer, getrennte Wohnungen 
oder überhaupt Trennung) zu verän- 
dern, kann ein letzter Ausweg sein, 
wenn Sie feststellen, daß Ihre Wertvor- 
stellungen und auch Ihre Bedürfnisse 
sehr stark auseinandergehen und Ihr 
Partner nicht bereit ist, sich mit Ihnen 
fair darüber auseinanderzusetzen. 


Überlegen Sie, wie Sie die konfrontie- 
rende Ich-Aussage formulieren, mit der 
Sie beginnen. 

Sollten Sie mit Ihrem Partner ein 
Klärungsgespräch führen wollen, weil 
Sie das Thema für komplex halten, 
wäre der erste Schritt, ihn zu fragen, 
ob er zu einem solchen Gespräch bereit 
ist, und dann einen Termin dafür zu 
vereinbaren. 


Kleine Selbstbefragung 

Bitte überlegen Sie einmal für sich: 

• Welche Konfliktthemen gibt es aktuell 
in Ihrer Partnerschaft? 

• Sind diese Konfliktthemen bereits 
angesprochen worden - und wenn ja, 
von wem? 

• Handelt es sich um Bedürfnis- oder 
Wertkonflikte? 

• Wann und auf welche Weise möchten 
Sie sie bearbeiten? 

• Überlegen Sie den ersten Schritt, den 
Sie dafür tun wollen. 

Wenn es sich zum Beispiel um ein 
störendes Verhalten handelt, als ersten 
Schritt ein Konfrontationsgespräch 
führen. 


69 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


» Wir glauben überhaupt nicht, 
daß es gut ist, die eigene 
Verletzlichkeit über alles zu erheben. 
Aber wir möchten kategorisch 
feststellen, daß die Bewußtheit 
des einzelnen für die eigene Ver- 
letzlichkeitabsolut notwendig ist, 
damit eine Beziehung lebendig 
und intim bleibt, wächst und 
an Tiefe gewinnt.« 
(Hai und Sidra Stone) 

In diesem Teil des Buches möchte ich 
besonders auf die Aspekte eingehen, 
die in der Praxis die Umsetzung der 
Fair-Streit-Regeln immer wieder er- 
schweren: dabei geht es mir vor allem 
um das Thema Gefühle, insbesondere 
um Ärger- und Wutgefühle, die ja in 
allen Streitsituationen - auch und gera- 
de in Beziehungen - da sind. 

Über den Umgang mit 
Gefühlen 

Gefühle in nahen Beziehungen sind ein 
heikles Thema. So beglückend es für ein 
Paar ist, sich nah zu sein, wenn sich 
beider Gefühle im positiven Bereich 
bewegen, sie also voll Vertrauen und 
Liebe miteinander umgehen können, so 
kompliziert werden Beziehungen, wenn 
Gefühle wie Enttäuschung, Eifersucht, 
Ärger, Trauer und Trennungsangst auf- 

70 


kommen. Hai und Sidra Stone, zwei 
amerikanische Psychotherapeuten, 
sagen in ihrem Buch »Wenn zwei sich 
zu sehr trennen...« zu diesem Punkt: 

»Der Schlüssel liegt darin, sich der uns 
allen innewohnenden Verletzlichkeit 
bewußt zu sein und sich über sie auszu- 
tauschen, während man aufderanderen 
Seite auch mit der eigenen Stärke in 
Kontakt bleibt. Zu einem anderen Men- 
schen zu sagen: 'Meine Gefühle sind 
durch das, was heute geschehen ist, 
verletzt worden, und ich ärgere mich 
schrecklich', ist nicht Zeichen von 
Schwäche, sondern vielmehr von innerer 
Stärke. ... « 

An verschiedenen Punkten habe ich 
bereits etwas zum Umgang mit 
Gefühlen gesagt ( * Seite 22). Hier 
möchte ich zuerst kurz zusammenfas- 
sen, was Sie beim Umgang mit 
Gefühlen beachten sollten. Danach 
werde ich ausführlich auf einen 
Gefühlsbereich eingehen, der uns in 
Konfliktsituationen besonders betrifft, 
die Aggression. 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


Wie gehen Sie mit Ihren 
eigenen Gefühlen um? 

Auf Seite 23 haben Sie bereits erfahren: 
nicht der andere »macht« Ihnen Gefühle, 
sondern Sie selbst sind für das, was Sie 
fühlen, verantwortlich. 

Vielleicht gehören Sie auch zu den 
Menschen, die » verantwortlich« mit 
»schuldig« übersetzen, doch das ist 
nicht der Punkt, um den es geht. 

In welchen Gefühlszuständen wir uns 
aufhalten, hat viel mit unserer persön- 
lichen Lebensgeschichte zu tun. 
Beschuldigen und herausfinden wollen, 
wer schuld ist, ist für viele Menschen 
eine zentrale Frage bei Auseinanderset- 
zungen, bringt Sie aber nicht weiter. 
Eine hilfreiche Frage ist: 

• Wie können wir die Situation zu 
unserer beidseitigen Zufriedenheit ver- 
ändern? 

Natürlich kann Ihre Partnerin durch ihr 
Verhalten Gefühle bei Ihnen auslösen, 
aber die Verantwortung, welche Gefüh- 
le Sie entwickeln, tragen Sie selbst. Die- 
se Haltung drückt sich im Gespräch in 
der Ich-Aussage »Ich bin wütend« statt 
dem herkömmlichen »Du machst mich 
wütend« aus. 

Hier einige Regeln für den Umgang 
mit Ihren eigenen Gefühlen beim Fairen 
Streiten: 

71 


• Akzeptieren Sie Ihr Gefühl , so wie es 
ist, denn es stellt eine wichtige Verbin- 
dung herzu Ihrem inneren Erleben. Wir 
sollten es würdigen, auch wenn es 
durch das, was wir denken oder was wir 
uns »erlauben« zu fühlen, gefärbt ist. 

Ein Unterdrücken oder »Weganalysie- 
ren« von Gefühlen schadet uns und 
unserer Beziehung. 

• Drücken Sie Ihr Gefühl direkt aus 
gegenüber der Person, die das Gefühl 
ausgelöst hat. Durch den Ausdruck 
unserer Gefühle stellen wir eine wichti- 
ge Verbindung zum anderen her. Man- 
chen fällt das schwer, weil es natürlich 
auch immer mit einem Risiko behaftet 
ist: der andere könnte zurückweisend 
reagieren oder meine Gefühle als Bela- 
stung empfinden. 

• Äußern Sie Ihr Gefühl als Ich-Aussage, 
also ohne Anklage und beschreiben Sie, 
welche Situation oder Verhaltensweise 
Ihrer Partnerin Ihr Gefühl ausgelöst hat. 

• Benennen Sie Ihr Gefühl konkret und 
beschreiben Sie gegebenenfalls, welche 
Empfindungen Sie in Ihrem Körper 
wahrnehmen, statt es allgemein zu 
bewerten [»Ich bin traurig und spüre 
einen Druck in meiner Brust« statt »Ich 
fühle mich schlecht«). 

• Manchmal kann es - um Mißver- 
ständnissen vorzubeugen - sinnvoll 
sein, Ihrer Partnerin gegenüber aus- 
drücklich zu betonen, daß sie nicht 
verantwortlich ist für Ihr Gefühl. 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


Wie gehen Sie mit den 
Gefühlen anderer um? 

Einfühlend zuhören und anwesend sein 
ist immer hilfreich, wenn jemand 
Gefühle mitteilt, und manchmal sogar 
schon genug. 

• Sie brauchen nichts zu tun, um den 
Schmerz von jemand zu lindern. Das 
bezieht sich natürlich nur auf Probleme, 
die Ihre Partnerin selbst lösen muß. 

• Manchmal - nicht immer! - ist es 
eine Hilfe für Ihre Partnerin, sich über 
ihre Gefühle klarzuwerden, wenn Sie ihr 
sagen, welche Gefühle Sie bei ihr wahr- 
zunehmen meinen und sie fragen, ob 
dies stimmt {»Ich höbe den Eindruck, 
daß du ärgerlich bist. Stimmt das?«). 

Das darf natürlich nicht ironisch klin- 
gen. Nur zu häufig glaubt sie ja, Sie 
seien »schuld« an ihren Gefühlen! 

• Teilen Sie Ihre eigene gefühlsmäßige 
Reaktion auf die Gefühle Ihrer Partnerin 
mit, aber ohne Anklage. Wenn sie ihre 
Gefühle sehr heftig ausdrückt, zum Bei- 
spiel sehr wütend ist, können Sie sagen, 
was dadurch bei Ihnen an Gefühlen 
ausgelöst wird. Deswegen müssen Sie 
ihr Gefühl nicht als schlecht bewerten. 

• Übernehmen Sie nicht die Verantwor- 
tung für die Gefühle Ihrer Partnerin. Sie 
können ihr aber Einfühlung zeigen, 
indem Sie sie fragen: »Bist Du traurig, 
weil ...(Du nicht das bekommen hast, 
was Du Dir gewünscht hast)?« 

72 


Wünsche und Forderungen, 

Geben und Nehmen 

Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen: Beim 
Fairen Streiten ist oft von Bedürfnissen 
die Rede. Bedürfnisse und daraus abge- 
leitete Erwartungen und Wünsche 
haben in einer Partnerschaft zentrale 
Bedeutung. Denn gewöhnlich haben wir 
uns für einen Partner entschieden, weil 
er unsere Bedürfnisse erfüllt. Und 
gleichzeitig ist es wichtig für eine 
befriedigende Beziehung, daß beiden 
Partnern die Freiheit bleibt, Wünsche 
des anderen nicht zu erfüllen und eige- 
ne Wege zu gehen. 

Sie können jeden Wunsch aus- 
drücken, solange Sie Ihrem Partner 
die Freiheit lassen, ihn zu erfüllen 
oder nicht. Andernfalls wird er zu 
einer Forderung. 

Er sagt meinetwegen: »Ich will übers 
\A/ochenende zu meinen Eltern fahren 
und möchte gern, daß Du mitkommst .« 
Ist das ein Wunsch oder eine Forde- 
rung? 

Sie können es manchmal am Ton und 
der Formulierung erkennen, ob Ihr Part- 
ner einen Wunsch oder eine Forderung 
äußert. Doch ganz eindeutig können Sie 
es erst später erkennen, nämlich an sei- 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


ner Reaktion und seinem weiteren Ver- 
halten Ihnen gegenüber, wenn Sie auf 
seine Bitte eingehen oder nicht. Für 
nicht erfüllte Forderungen werden wir 
häufig bestraft, zum Beispiel durch 
emotionalen Rückzug, Schweigen, Ärger 
und Gekränktsein. 

Die Schwierigkeit liegt darin, zu akzep- 
tieren, daß Sie zwar vielerlei Wünsche 
haben können, aber nicht den Anspruch 
haben sollten, daß Ihr Partner sie erfüllt. 
Auf Dauer entsteht daraus natürlich nur 
dann eine befriedigende Beziehung, 
wenn beide Partner an und für sich 
bereit sind, sich gegenseitig Wünsche 
zu erfüllen, und es nur hin und wieder 
Situationen gibt, in denen die Bedürf- 
nisse deutlich auseinandergehen. 

Wenn Sie also am Wochenende mit zu 
seinen Eltern fahren, sollten Sie das nur 
tun, wenn Sie es nicht als »Opfer« emp- 
finden, für das Ihnen Ihr Partner etwas 
schuldig ist. Tun Sie nur das, was Ihnen 
selbst Freude macht. »Opfer« sind eine 
schwere Flypothek in einer Partner- 
schaft. 

Beziehungen werden sehr verwickelt, 
wenn wir von der Idee »offenstehender 
Rechnungen« ausgehen: Ich habe das 
für Dich getan, nun mußt Du das für 
mich machen. Die Lösung ist: 

• Jeder sorgt selbst für die Befriedigung 
seiner Bedürfnisse, indem er auf der 
einen Seite klar mitteilt, was er braucht, 

73 


und auf der anderen Seite nur das tut, 
wozu er innerlich bereit ist, damit nicht 
das Gefühl bleibt, der andere sei noch 
etwas schuldig. 

Hiermit komme ich gleich zu einem 
weiteren wichtigen Thema in Beziehun- 
gen, dem Gleichgewicht von Geben und 
Nehmen. Wenn einer der Partner sehr 
häufig sich selbst übergeht und es dem 
anderen recht machen will oder sich 
dessen Bedürfnissen unterordnet, gerät 
eine Beziehung ins Ungleichgewicht 
und zerbricht früher oder später; oder 
die Partner ziehen sich innerlich von- 
einander zurück, ohne daß der Konflikt 
offen ausgetragen wird. 
Interessanterweise ist es häufig der 
Partner, der in der Beziehung »mehr« 
bekommt, der das als erster als Bela- 
stung empfindet und sich zurückzieht - 
anscheinend stehen wir nicht gern als 
Schuldner da. 

Die Konsequenz daraus: 

Sich nah sein, heißt auch Konflikte 
riskieren, indem Sie Ihre Bedürfnisse 
wichtig nehmen. Es ist nicht mög- 
lich, Ihre Bedürfnisse auf längere 
Sicht zu ignorieren, ohne daß sich 
das auf Ihre Beziehung negativ aus- 
wirkt. 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


Ärg er und Wut ausdrücken - 
oder besser nicht? 

Ärger- und Wutgefühle sind häufig die 
erste Reaktion, wenn wir an der Befrie- 
digung eines Bedürfnisses gehindert 
werden. Nehmen wir einmal an, Sie 
haben mit Ihrem Partner vereinbart, 
daß er zu einer bestimmten Zeit kommt, 


um die Betreuung der Kinder zu über- 
nehmen, weil Sie einen wichtigen Ter- 
min haben. Er kommt nicht. Als Sie ihn 
im Büro anrufen, erfahren Sie, daß er 
die Vereinbarung vergessen hat. 

Ärger ist in einer solchen Situation eine 
normale Reaktion. Dieser spontane 
Ärger verraucht aber schnell. Er ist auf 
eine gegenwärtige Situation bezogen 
und die angemessene Reaktion auf eine 
momentane Frustration. 

Dies sind »gesunde« Formen von Ärger 
und ihnen Ausdruck zu verleihen ist 
eine sinnvolle Form der Selbstbehaup- 
tung. Vielleicht beobachten Sie bei sich, 
daß Sie das Versäumnis, nachdem Sie 
erfahren haben, weshalb Ihr Partner 
nicht kommt und Sie die Dinge anders 
regeln konnten, später am Abend schon 
fast vergessen haben. (Anders ist es, 
wenn Sie schon des öfteren mit Ihrem 
Partner frustrierende Erfahrungen 
bezüglich Verläßlichkeit gemacht 
haben. Vielleicht braucht es dann eine 
Art von »Buße« (-> Seite 53), damit Sie 
bereit sind, ihm seine Unzuverlässigkeit 
nachzusehen.) 

Aktueller und »alter« Ärger 

Es gibt jedoch auch Formen, Ärger und 
Wut auszudrücken, die keine angemes- 
sene Reaktion auf eine frustrierende 
Situation sind. Nehmen wir an, Sie sind 


74 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


ihrem Mann bitterböse und nicht bereit, 
ihm die Vergeßlichkeit zu verzeihen. 
Dahinter steckt vielleicht, ohne daß Sie 
sich dessen bewußt sind, der Glaube 
»Männer halten ihre Angelegenheit 
immer für wichtiger und nehmen Frau- 
en nie wirklich ernst« (beachten Sie die 
Verallgemeinerungen und Übertreibun- 
gen, ein Hinweis auf Abwertung). 
Dahinter könnte eine frühkindliche 
Erfahrung stehen, zum Beispiel daß Sie 
als Mädchen häufig hinter Ihrem Bruder 
zurückstehen mußten. Die Bereitschaft, 
sich in übertriebenen Ärger hineinzu- 
steigern, wäre hier die Folge von unter- 
drücktem Ärger, der in früheren fru- 
strierenden Erfahrungen nicht ausge- 
drückt werden konnte. Erkennbar ist 
das an der Unversöhnlichkeit, die in 
dieser Form des Ärgers enthalten ist, 
und daß andere sich nur schwer in die 
Heftigkeit des Gefühls einfühlen kön- 
nen. (->• Seite 76) 

Wohin mit dem Ärger? 

Was machen Sie, wenn Sie feststellen, 
daß Sie viel »alten« Ärger haben und bei 
jeder Kleinigkeit gleich in die Luft 
gehen? 

Die Erkenntnis allein ist schon ein wich- 
tiger Schritt. Es geht gar nicht darum, 
dieses Gefühl zu verdrängen. Sie kön- 
nen aber lernen, Ärger auszudrücken 
statt auszuagieren, denn darin besteht 
ein wesentlicher Unterschied. 

75 


• Ärger ausagieren bedeutet, Sie sehen 
den anderen als Ursache für Ihren Ärger 
und versuchen, ihn irgendwie zu bestra- 
fen: Sie schreien herum, knallen mit 
Türen, ziehen sich beleidigt zurück, sind 
unansprechbar, wenn er mit Ihnen 
zusammen sein möchte. 

• Ärger ausdrücken bedeutet dagegen, 
über den Anlaß Ihres Ärgers zu spre- 
chen, indem Sie die Situation beschrei- 
ben und was sie bei Ihnen bewirkt, kurz: 
die Grundregeln Fairen Streitens zu 
beachten. Sie können ruhig sagen, daß 
Sie ärgerlich sind und dürfen dabei 
auch verärgert klingen. Sie brauchen 
nicht fromm zu säuseln, wenn Sie 
wütend sind. Wichtig ist, daß Sie den 
anderen als Auslöser, aber nicht als Ver- 
ursacher oder Schuldigen für Ihren 
Ärger sehen. Die Verantwortung dafür, 
daß Sie sich ärgern, tragen Sie allein. 

Ärger offen ausdrücken 

Machen Sie deshalb Ihrem Partner in 
Ich-Aussagen deutlich, was Sie fühlen. 
Wenn er bereit ist, Ihnen einfühlend 
zuzuhören, dringen Sie vielleicht eher 
zu den Wurzeln dieses Gefühls vor. 
Wichtig ist die Trennung zwischen dem 
aktuellen Anlaß und dem, was Sie auf- 
grund Ihrer Bereitschaft, sich ärgern zu 
wollen, hinzutun. 

Hinter Ärger kann auch die Angst ste- 
hen, sich nicht durchsetzen zu können - 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


Warnhinweise für »alten« Ärger 

Es gibt ein paar Anzeichen dafür, wie 
Sie herausfinden können, ob ein 
Ärger, den Sie im Moment empfin- 
den, angemessen und »aktuell« ist 
oder ob er aus einer alten unausge- 
drückten Verletzung resultiert: 

1) Ist der Ausdruck dem Anlaß ange- 
messen ? Gerate ich wegen einer 
Kleinigkeit in Wut? 

2) Ist es der richtige Ort? 

Drücke ich meinen Ärger in einer 
Situation aus, die für den anderen 
zusätzlich belastend wirkt, zum Bei- 
spiel im Kreis von Freunden, oder 
sage ich es unter vier Augen? 

3) Ist es der richtige Zeitpunkt ? 

Rücke ich mit meinem Ärger erst lan- 
ge nach dem auslösenden Ereignis 
heraus oder sobald als möglich? 


4) Ist der Ärger an die betreffende 
Person gerichtet ? 

Erzähle ich meinen Ärger der betref- 
fenden Person odereinem Dritten? 

5) Ist der Ärger danach verraucht ? 
Kann ich den Ärger danach wirklich 
loslassen und dem anderen verzei- 
hen, vielleicht nachdem ersieh ent- 
schuldigt hat oder eine angemessene 
Wiedergutmachung vorschlug, oder 
fühle ich mich unversöhnlich? 

Das ist natürlich kein wissenschaftli- 
cher Test, aber wenn Sie mehr als 
drei Fragen verneinen müssen, han- 
delt es sich um aufgestauten »alten« 
Ärger, bei dem das auslösende Ereig- 
nis bloß ein Anlaß ist, »mal wieder 
Dampf abzulassen«. 


weshalb Sie von vornherein auftrump- 
fen, um den anderen einzuschüchtern. 
Ärger kann also ein Hinweis sein, daß 
Sie sich unterlegen fühlen, ein wichti- 
ger Aspekt gerade für Frauen. 

Für Menschen, die handgreiflich wer- 
den, gilt wiederum: Handgreifliche Wut 
in Beziehungen ist im Grunde Ausdruck 
von Ohnmacht - der Partner hat keine 
andere Ausdrucksform zur Verfügung, 
um zum Beispiel seine Verzweiflung 

76 


oder Wut auszudrücken, als körperliche 
Gewalt. 

Auch Gefühle, die Sie sich nicht »erlau- 
ben« bewußt zu empfinden oder auszu- 
drücken, wie Verletzlichkeit, Scham, 
Eifersucht und Neid, können mit einem 
Ärgergefühl überdeckt werden. 

Doch selbst wenn Ärger manchmal für 
Sie - bewußt oder unbewußt - die 
Funktion hat, andere Gefühle zu verber- 
gen, wird es Ihnen helfen, diesen Ärger 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


in einem vertrauensvollen Rahmen 
(das kann Ihr Partner, eine gute Freun- 
din oder eine therapeutische Gruppe 
sein) verbal auszudrüeken, weil dann 
das dahinterliegende Gefühl leichter 
zum Vorschein kommen kann. 

Beispiel: 

Lisa sagt ihrem Freund Franz, wie sehr 
sie sich übereine Bemerkung von ihm 
ärgere, mit der sie sich vor seinen Freun- 
den bloßgestellt fühlte. Während sie das 
Franz erzählt, wird ihr bewußt, daß ihr 
Gefühl eigentlich nicht Ärger ist, son- 
dern daß sie sich durch sein Verhalten 
verletzt fühlt. 

Wenn Lisa sich Franz gegenüber nicht 
verteidigen muß, wird es ihr allein 
durch das Erzählen möglich, das 
zugrundeliegende Gefühl des Verletzt- 
seins zuzulassen (manchmal erinnern 
Sie sich in einem solchen Moment auch 
an ähnliche, weit zurückliegende Erfah- 
rungen, zum Beispiel aus der Kindheit). 
Lisa fühlt sich deutlich erleichtert und 
spürt, wie der Ärger verfliegt, nachdem 
sie Franz sagen konnte, was sie fühlt, 
und er ihr zuhörte, ohne sie abzuwerten 
oder sich selbst zu rechtfertigen. 

Die ganz hohe Kunst des Umgangs mit 
Ärger wäre, wenn Sie für sich untersu- 
chen können, was die Ursache Ihres 
Ärgers ist, ohne daß Sie ihn ausdrücken 
müssen. Voraussetzung hierfür ist, daß 

77 


Sie gelernt haben, zu sich selbst wohl- 
wollend zu sein und somit nicht auf die 
Hilfe einer anderen Person angewiesen 
sind. Bis Sie soweit sind, erlauben Sie 
sich ruhig, die Unterstützung durch 
Freunde in Anspruch zu nehmen. 

Abreagieren und klären 

ln einem Streit lassen sich zwei Stadien 
der Auseinandersetzung unterscheiden: 

• Erstens: Abreagieren der Gefühle, 

• Zweitens: Das klärende Gespräch. 

Erstes Stadium: 

Abreagieren der Gefühle 

Sie sind unmittelbar betroffen und folg- 
lich ärgerlich, wütend oder gekränkt - 
hier hagelt es gewöhnlich Du-Botschaf- 
ten, zum Beispiel »Du bist rücksichtslos 
und denkst nur an Dich«, »Nie kann man 
sich auf Dich verlassen« und derglei- 
chen. Diese Freiheit, auch mal heftig 
zu werden, sollten wir uns einräumen. 

Im Konzept der »Kreativen Aggression« 
nach George R. Bach gibt es deshalb ein 
Streitritual (den »Vulkan«), das dazu 
dient, in einem geschütztem Rahmen 
unter Einhaltung bestimmter Regeln 
(zum Beispiel darf dabei niemand 
geschlagen oder sonstwie körperlich 
verletzt werden) alle Wut, die Sie im 
Moment spüren - und noch ein bißchen 
mehr - entladen werden darf. Das ist 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


auch deshalb hilfreich, weil dabei viel 
»alte« Wut zum Vorschein kommen 
kann und dadurch, daß sie ausgedrückt 
wird, nicht mehr weiter im Verborgenen 
Unheil anrichtet. 

Natürlich ist das Stadium des Abreagie- 
rens nicht immer notwendig. Doch die 
wenigsten Menschen gehören zu den 
»fortgeschrittenen Streitern«, die mit 
ihrem Ärger so bewußt umgehen kön- 
nen, daß sie ihn nicht mehr auszu- 
drücken brauchen. 

Zweites Stadium: 

Das klärende Gespräch 

Dies ist die Ebene, mit der wir uns 
bereits ausführlich befaßt haben. Erst 
wenn Sie akuten Ärger ausgedrückt 
haben, hat es Sinn - unter Beachtung 
der Fair-Streit-Regeln - darüber zu 
sprechen, was passiert ist: Was war der 
Anlaß für meinen Ärger ? Was erwarte 
ich von Dir ? Was willst Du? 

Der Sinn einer Unterscheidung dieser 
beiden Streitstadien liegt darin, sich ge- 
genseitig zu erlauben, auch mal Ärger 
zu entladen, ohne daß Sie sich jedes in 
der Wut gesagte Wort ewig nachtragen. 
Gerade für übertrieben Harmoniebe- 
dürftige und Leute, die nie ein lautes 
Wort über die Lippen bringen, wird der 
lebendigere und anschaulichere Aus- 
druck von Ärger eine Bereicherung sein. 
Der Hamburger Psychologie-Professor 

78 


Friedemann Schulz von Thun schreibt in 
seinem Buch »Miteinander reden 2«, 
daß man ein gelegentliches »Du bist 
schuld!« und »Es ist wirklich furchtbar 
mit dir!« nicht völlig abschaffen sollte, 
denn: 

» Eine Kommunikationpsyehologie, die 
das Schimpfen und Klagen, Nörgeln und 
Jammern, Beschuldigen und Polemisie- 
ren ganz abschaffen wollte, würde ihren 
gelehrigen Musterschülern einen Sonn- 
tagsanzug verpassen, unter dem noch 
der alte Adam vernehmlich knurrt... 
Diese einseitige Ausrichtung ist beson- 
ders für solche Menschen nicht entwick- 
lungsfördernd, die von Haus aus eher 
selbstbeschuldigend, aggressionsge- 
hemmt, depressiv und harmoniesüchtig 
sind; für sie ist die zornige Du-Botschaft 
eine wesentliche Bereicherung ihrer 
Verhaltensmöglichkeiten, sie müssen 
(erst einmal) lernen zu schimpfen.« 

• Wenn Sie Ihre Gefühle immer unter- 
drücken, begreift Ihr Partner womöglich 
nicht, wie sehr Sie sich verletzt fühlen 
und kann sich nicht in Sie einfühlen. 

• Wenn Streit andererseits immer im 
ersten Stadium des Ausdrucks von Ärger 
und Wut steckenbleibt, ohne ein nach- 
folgendes klärendes Gespräch, wird das 
Problem nicht gelöst. 

Diese, man könnte sagen, unvollendete 
Form des Streits ist es, was viele Men- 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


sehen als so frustrierend erleben. 

Wir brauchen also beides: sowohl die 
Fähigkeit, auch mal Ärger direkt und 
unverblümt auszudrücken, und daneben 
die Fähigkeit, Konflikte in einem fairen 
Dialog zu klären. 

Beim Ausdrücken von Ärger und Wut 
lassen sich jedoch konstruktive von 
feindseligen Tendenzen unterscheiden. 


Konstruktive oder 
feindselige Aggression 

Unsere übliche Einstellung zum Aus- 
druck von Aggression ist: ausweichen - 
vermeiden - besänftigen - »Um Gottes 
Willen, bloß keinen Streit!« 

Die aggressive Energie hat aber neben 
ihrem Potential zur Zerstörung eine 
sehr wichtige positive Funktion - auch 
in intimen Beziehungen. In ihr drückt 
sich Kraft, Entschlossenheit, Selbstbe- 
wußtsein, Selbstbehauptung und die 
Fähigkeit zur Empörung über Ungerech- 
tigkeit aus. Die aggressive Energie ist 
vitale Lebenskraft und eng mit der 
Sexualität verknüpft. Sexualität ohne 
eine Prise aggressiver Energie wäre 
recht langweilig. 

Wenn wir Ärger und Frustration in einer 
intimen Beziehung empfinden, sie aber 
nicht ausdrücken, stauen sich diese 
Gefühle an und verwandeln sich all- 
mählich in destruktive Aggression, die 

79 


den anderen bewußt verletzen will. 
Konstruktiver Ausdruck von Ärger und 
Wut rückt dagegen die schmerzenden 
Punkte, wo wir uns durch das Verhalten 
unseres Partners verletzt fühlen, ins 
Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie zielt 
auf eine Änderung des Verhaltens, aber 
nicht auf die Zerstörung der Beziehung. 
Konstruktive Aggression bringt Energie 
zum Fließen und ist damit Ausdruck von 
Kraft und Lebendigkeit. 

Konstruktive Aggression 
zielt auf: 

• Information über Bedürfnisse 
und emotionale Verletzungen 

• Selbstbehauptung 

• Veränderung 

Kennzeichen feindseliger 
Aggression sind: 

• Ansammeln negativer Gefühle 

• »Schläge unter die Gürtellinie«, 
um den anderen zu verletzen 
und zu bestrafen 

• Indirekte Aggression 

Auf den Aspekt der indirekten Aggres- 
sion möchte ich im nächsten Kapitel 
noch näher eingehen. 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


Indirekte Aggression 

Manche von Ihnen sind vielleicht in 
eine Beziehung verwickelt, in der Sie 
sich unglücklich fühlen und in der Ihre 
Bemühungen, fair miteinander umzuge- 
hen, erfolglos bleiben, ohne daß Sie sich 
aber aus der Beziehung lösen können. 
Der Grund für dieses nicht so recht 
greifbare Beziehungselend könnte indi- 
rekte Aggression aufseiten Ihrer Part- 
nerin sein, gegen die Sie sich nicht zu 
behaupten wissen. Solche Verwicklun- 
gen in einer Beziehung zu erkennen ist 
wichtig, da Sie sich mit all Ihren 
Bemühungen um faire und einfühlsame 
Kommunikation aufreiben würden, 
wenn Ihre Partnerin mit Ihnen nicht 
offen und ehrlich umgehen will, 
womöglich weil sie es aus ihr selbst 
nicht einmal bewußten Gründen ein- 
fach nicht kann. 

Manche Menschen haben frühe Ent- 
täuschungen und Wutgefühle in ihrer 
Kindheit so sehr verdrängen müssen, 
daß ihnen nicht mehr bewußt ist, wie 
sehr diese Gefühle immer noch in ihnen 
präsent sind und wie sie sie übertragen 
auf Menschen, die ihnen nahestehen 
(so daß sie die unausgedrückte Wut 
gegenüber ihrer Mutter beispielweise 
jetzt gegenüber ihrer Partnerin em- 
pfinden). 


Ein Grund, weshalb Ihre Partnerin Ärger 
und Wut nur indirekt ausdrückt, könnte 
sein, daß sie vor einem offenen Konflikt 
Angst hat. Womöglich fürchtet sie, 

Sie zu verlieren, wenn sie Gefühle, wie 
Ärger, Wut, Enttäuschung, Eifersucht 
oder Neid offen eingesteht. 

Wie sich indirekte Aggression 
äußert 

Indirekte Aggression kann sich äußern 
durch Hinhalten, Vergeßlichkeit, 
Zuspätkommen, Termine kurzfristig 
absagen oder keine Zeit haben, ständig 
moralisieren, kritisieren und den ande- 
ren analysieren, sexuelle Verweigerung, 
emotionale Distanz und Einsilbigkeit. 

Selbstverständlich ist nicht jedes Zu- 
spätkommen oder jeder Wunsch nach 
sexuellem Rückzug Ausdruck indirekter 
Aggression. Das Irritierende und Verun- 
sichernde an indirekter Aggression ist 
gerade, daß sie nicht so ohne weiteres 
erkennbar und greifbar ist, denn die 
aufgeführten Verhaltensweisen können 
natürlich auch andere Ursachen haben. 
Ihre Partnerin verhält sich in einer Wei- 
se, die oberflächlich gesehen normal 
und unauffällig erscheint, oft sogar 
verbunden ist mit einem ausgesucht 
freundlichen Tonfall oder Verhalten. Sie 
sind aber irritiert und empfinden eine 
untergründige Aggression ihrerseits. 


80 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


An dieser Stelle sollten Sie sich außer- 
dem noch selbst fragen, ob Sie womög- 
lich eigene aggressive Tendenzen Ihrer 
Partnerin unterstellen. Also insgesamt 
eine komplizierte Geschichte. 

Indirekte Aggression ist erkennbar an 
einer Mischung aus liebevollem und 
zurückweisenden Verhalten, bei dem Sie 
sich wie in einer Zwickmühle fühlen 
und sich selber fragen: »Ist an meinem 
Gefühl nun was dran oder spinn ich ? 
Was wird hier eigentlich gespielt ?« 

Sie brauchen viel Vertrauen in Ihre 
eigene Wahrnehmung, um indirekte 
Aggression zu erkennen. 

81 


Beispiel: Keine Zeit für Uta 

Jens und Uta kennen sich seit einem hal- 
ben Jahr. Uta ist beruflich sehr erfolg- 
reich und deshalb viel beschäftigt und 
oft auf Reisen. 

Jens hat einen eher ruhigen Job und 
möchte mehr Zuwendung von Uta, sagt 
das aber nicht. Vielleicht fällt es ihm 
sogar schwer, sich bewußt einzugeste- 
hen, wie sehr er Uta brauch t und ver- 
mißt. Er hat gelernt, daß Männer sich 
stark und unabhängig fühlen müssen. 
Seit einigen Wochen hat Jens immer 
häufiger gerade keine Zeit, wenn Uta 
Zeit für ihn hätte. Es scheint sich rein 
zufällig so zu ergeben, daß die freien 
Tage und Wochenenden der beiden halt 
nicht zusammen fallen. Uta ist deswegen 
sehr frustriert und kann sich nicht 
erklären, was los ist. Sie spürt Jens ' 
untergründige Enttäuschung und Wut 
an Bemerkungen, die er ihr gegenüber 
macht (»Du hast auch immer keine Zeit 
für mich, jetzt bin ich haitauch beschäf- 
tigt«), er leugnet sie aber ab. 

Es kann ziemlich mühsam für die beiden 
werden, zu klären, ob und was hinter 
diesen scheinbaren Zufällen steckt. 
Vielleicht ist es Jens möglich, in einem 
offenen Gespräch, in dem Uta sich be- 
müht, einfühlend zuzuhören und ihre 
Wahrnehmung und ihre Gefühle zu be- 
schreiben, seine Enttäuschung über Utas 
häufige Abwesenheit einzugestehen. 


Copyrighted material 


Fairness und Gefühle 


Selbstverständlich wäre es noch besser, 
wenn beide sich einfühlend zuhören 
würden; manchmal ist es jedoch so, daß 
einer der Partner mehr Entgegenkom- 
men und Einfühlung braucht, um ver- 
leugnete Gefühle zulassen zu können. 
Die Offenlegung verleugneter Gefühle 


ist ein wesentlicher Fortschritt, denn 
danach kann es nicht mehr nach dem 
alten Muster - nur versteckt spüren 
zu lassen, daß etwas nicht stimmt - 
weitergehen. 


Nur jemand, der sich sehr verletzlich 
und minderwertig fühlt, wird über 
längere Zeit bereit sein, sich ver- 
rücktmachendes Verhalten, also 
indirekte Aggression, von jemandem 
gefallen zu lassen. Typische Reak- 
tionen der Hilflosigkeit auf indirekte 
Aggression sind: sich innerlich 
zurückziehen oder plötzlich und 
unvermittelt zu »explodieren«, da 
man sich anders einfach nicht mehr 
zu helfen weiß. 

Um sich aus dem vielschichtigen 
Abhängigkeitsverhältnis einer solch 
destruktiven Beziehung zu lösen, 
ist es häufig notwendig, therapeu- 
tische Unterstützung zu suchen. 

Die Beziehung ohne Klärung des 
Abhängigkeitsmusters zu beenden, 
ist meist nur eine Scheinlösung, 
da wir solche Beziehungsmuster 
leicht wiederholen. 


82 


Copyrighted material 


Immer wieder: 
»Annäherungs- 
versuche« 


Ich möchte diese Einführung ins Faire 
Streiten mit einer Ermunterung ab- 
schließen: 

Vielleicht fühlen Sie sich, wie viele 
andere Menschen auch, am Anfang 
überfordert, wenn Sie die Fair-Streit- 
Regeln in Ihrem Alltag umsetzen wol- 
len. Wir brauchen Geduld und Nach- 
sicht mit uns selbst, wenn wir ent- 
decken, wie wir immer wieder in alte 
Muster zurückfallen. 

Am Anfang konzentrieren Sie sich am 
besten auf einen bestimmten Aspekt 
des Fairen Streitens und richten Ihre 
Aufmerksamkeit im Gespräch zunächst 
darauf. Zum Beispiel können Sie sich 
vornehmen, auf Situationen zu achten, 
in denen Sie statt wie bisher schnell 
einen Ratschlag zu geben oder Fragen 
zu stellen, einfühlend zuhören. 

Oder Sie achten bewußt auf alle Du- 
Botschaften, die Sie aussprechen und 
zu hören bekommen, ohne schon den 
Anspruch zu haben, sich perfekt in Ich- 
Aussagen auszudrücken. 

Wenn Sie die Fair-Streit-Regeln Schritt 
für Schritt anwenden, werden Sie beob- 
achten, daß Gespräche intensiver und 
befriedigender werden - für Sie und für 
Ihren Partner oder Ihre Partnerin. 

Unsere Bemühungen, klarer und ein- 
fühlsamer miteinander zu reden, wer- 
den häufig »Annäherungsversuche« im 

83 


doppelten Wortsinn bleiben - und das 
ist völlig in Ordnung. Es geht vor allem 
darum, unsere Selbstgerechtigkeit 
[»Wenn sie/er bloß anders wäre«) loszu- 
lassen. Wir haben viel erreicht, wenn 
wir wenigstens eine Ahnung bekommen 
von den Fallstricken unserer alltäg- 
lichen Verständigungsbemühungen 
und wieviel wir selber dazu beitragen 
können, ein Klima von Liebe, Vertrauen, 
gegenseitiger Wertschätzung und 
Akzeptanz zu schaffen. 


Copyrighted material 


Immer wieder: 
»Annäherungsversuche« 


»Zwiegespräche« zur Vertiefung 
der Beziehung 

Die kleinste Selbsthilfegruppe 
besteht aus zwei Personen, 
die miteinander ein wesentliches 
Zwiegespräch führen.« 
(M. L Moeller) 

Ich möchte Ihnen noch eine Möglichkeit 
vorstellen, wie Sie durch eine spezielle 
Form des partnerschaftlichen Gesprächs, 
das regelmäßige Zwiegespräch, Ihre 
Beziehung vertiefen können. 

Die Struktur wurde entwickelt und 
erprobt von Michael Lukas Moeller, 
Psychologie-Professor in Frankfurt und 
Autor des Buches »Die Wahrheit 
beginnt zu zweit«. 

Professor Moeller nennt Zwiegespräche 
einen »wechselseitigen Austausch von 
Selbstporträts«, mit denen Sie sich ein- 
ander einfühlbar machen und Ihre Be- 
ziehung zueinander stärken. Damit Ihre 
Zwiegespräche erfolgreich sind, emp- 
fiehlt er folgenden Rahmen und Ablauf: 

Der äußere Rahmen 

Die Regelmäßigkeit ist eine Vorausset- 
zung für den Erfolg und unterscheidet 
Zwiegespräche von anderen intensiven 
Gesprächen. 


• Einmal wöchentlich wäre am besten, 
doch auch alle zwei Wochen ist schon 
ein guter Anfang. - Gemeinsam feste 
Zeiten und Ersatztermin ausmachen, 
falls der erste Termin mal ausfällt. 

• Bei der Festlegung des regelmäßigen 
Termins und Ersatztermins soll keiner 
von Ihnen auf etwas verzichten müssen, 
das ihm wichtig ist. 

• Als Dauer mindestens eineinhalb, aber 
nicht mehr als zwei Stunden. 

• Pünktlich anfangen und aufhören, 
denn Zwiegespräche sollen sich nicht 
endlos hinziehen, sondern einen ver- 
bindlichen Zeitrahmen haben, sonst 
entsteht leicht Überdruß. 

• Zwiegespräche sollten an einem ruhi- 
gen Ort und zu einer Zeit stattfinden, 
wo Sie nicht mit Störungen rechnen 
müssen - wenn Sie Kinder haben, also 
am besten abends. 

Die innere Struktur 

Die innere Struktur unterscheidet das 
Zwiegespräch von einem gewöhnlichen 
Gespräch. 

• Erzählen und beschreiben Sie, was 
Sie im Augenblick bewegt und was Sie 
fühlen: 

Wie erlebe ich mich im Moment? 

Wie erlebe ich Dich im Moment? 

Wie erlebe ich unsere Beziehung? 

Wie erlebe ich mein Leben? 


84 


Copyrighted material 


Immer wieder: 
»Annäherungsversuche« 


Copyrighted Image 



• Sprechen Sie über das, was spontan 
in Ihnen auftaucht. Vermeiden Sie - 
anders als im partnerschaftlichen 
Klärungsgespräch - Diskussionen über 
ein festes Thema, denn das führt von 
Ihrem momentanen Erleben weg. 

• Achten Sie darauf, daß jeder von 
Ihnen gleich viel Zeit mit Reden und 
Zuhören verbringt. Das kann bedeuten, 
daß derjenige, dem das Sprechen leich- 
ter fällt, auch mal schweigt und dem 
anderen Zeit läßt, »in Fahrt zu kommen«. 

• Keine Fragen - keine Ratschläge - 
jeder spricht übersieh selbst. 


Diese Regel hat sich in vielen Selbsthil- 
fegruppen bewährt. Beim Eingehen auf 
Fragen, selbst wenn es nur Verständnis- 
fragen sind, verliert der Sprechende 
leicht den Faden, auch wenn es nur für 
einen kleinen Moment ist. 

• Jeder bestimmt selbst, worüber er 
sprechen will, es geht nicht darum, 
Informationen aus dem anderen »her- 
auszukitzeln«. Auch Schweigen und 
Schweigenlassen gehört zum Zwie- 
gespräch. 


85 


Copyrighted material 


Damit Sie sieh für die 
Entwicklung Ihres Fair- 
Streit-Verhaltens weitere 
Anregungen holen können, 
folgen jetzt: 

• Ein Glossar zum schnellen 
Nachschlagen, 

• Literaturhinweise, 

• Adressen, an die Sie sich 
wenden können. 


Copyrighted material 


Copyrighted material 


Die wichtigsten 
Regeln und Begriffe 
von A - Z 


Zum Nachschlagen ein Überblick über 
wichtige Begriffe und Regeln des Fairen 
Streitens. 

Abwehr 

Als Abwehr wird beim Fairen Streiten 
alles angesehen, was nicht dazu dient, 
einen Konflikt zu lösen. Abwehr kann 
sich ganz unterschiedlich äußern: in 
aggressiven oder selbstabwertenden 
Formulierungen, in Vorwürfen, Recht- 
fertigungen, aber auch in rationalen 
Argumenten und getarnt in Ratschlä- 
gen oder Tröstungsversuchen sowie in 
Schweigen. 

Abwertung 

Abwertungen erkennen Sie an der ab- 
fälligen Bewertung anderer Personen 
und an übertreibenden Formulierungen 
wie immer, nie, schon wieder, ständig, 
typisch, wenn Du wenigstens und Ver- 
allgemeinerungen mit man, ihr, wir. 

Sie können sich auch selbst abwerten, 
wenn Sie konfrontieren, indem Sie Ihr 
Anliegen abschwäehen mit Wörtern wie 
eigentlich, vielleicht, ein bißchen, etwas 
oder indem Sie sich unnötigerweise 
entschuldigen. 

Aggression 

Zwei Tendenzen von Aggression lassen 
sich unterscheiden: Konstruktive 
Aggression beinhaltet Information - 
Selbstbehauptung - Veränderung. 

88 


Feindselige Aggression ist gekennzeich- 
net durch das Ansammeln negativer 
Gefühle, »Schläge unter die Gürtellinie« 
und indirekte Aggression. 

Ärger 

Ärger ausagieren bedeutet, andere als 
Ursache für eigenen Ärger zu sehen 
und zu versuchen, sie irgendwie zu 
bestrafen - durch Schimpfen, Schmol- 
len, Türenknallen usw. Versuchen Sie, 
Ihren Ärger direkt auszudrücken, zum 
Beispiel indem Sie konfrontieren. 

(-> »Gefühle«) 

Bedürfnis 

Eine Schlüsselfrage des fairen Streitens 
ist: Wie wirkt sich das Verhalten einer 
anderen Person auf die Befriedigung 
Ihrer Bedürfnisse aus? Werden Sie 
durch ihr Verhalten in der Befriedigung 
eines Bedürfnisses beeinträchtigt? In 
diesem Fall besteht eine Störung oder 
ein Bedürfniskonflikt. 

Bedürfniskonflikt 

Zwei Vorgehensweisen zur Lösung von 
Bedürfniskonflikten lernen Sie in die- 
sem Buch kennen: 

•Das Konfrontationsgespräch 
geeignet zur Konfrontation störenden 
Verhaltens einer anderen Person, wel- 
ches Sie in der Befriedigung eines Ihnen 
wichtigen Bedürfnisses behindert. 

( ->• »Konfrontieren«) 


Copyrighted material 


Die wichtigsten Regeln und Begriffe 
von A - Z 


• Das partnerschaftliche 
Klärungsgespräch 

besonders geeignet für Konflikte in der 
Partnerschaft, wenn beide bereit und 
fähig sind, einander zuzuhören und sich 
für die Klärung eines Konflikts Zeit zu 
nehmen (-> »Klärungsgespräch«) 

Du-Botschaft 

Das Kennzeichen einer Du-Botschaft ist 
nicht, daß sie mit »Du« beginnt, sondern 
die Beurteilung und Abwertung einer 
anderen Person. 

Einfühlendes Zuhören 
Einfühlend zuhören heißt, wohlwollend 
zuhören und zurückspiegeln, was Sie an 
Gefühlen und Bedürfnissen hören und 
wahrnehmen (über Stimme, Mimik und 
Körperausdruck) und nicht mehr hinein- 
legen als gesagt wurde. 

Faires Streiten 

Faires Streiten heißt zusammengefaßt: 

• In Ich-Aussagen statt in Du-Botschaf- 
ten sprechen 

• Gefühle und Bedürfnisse ausdrücken 

• Andere nicht abwerten oder beschul- 
digen, sondern die Problemsituation 
oder das störende Verhalten beschrei- 
ben 

• Einfühlend zuhören, insbesondere bei 
Abwehrund Du-Botschaften anderer 

• Keine Verhaltensanweisungen geben 


Gefühle 

Nicht der direkte Ausdruck von 
Gefühlen schafft Probleme, sondern der 
indirekte. Gefühle sind stark davon 
beeinflußt, was wir denken oder erwar- 
ten und welche Gefühle wir uns »erlau- 
ben« zuzulassen. 

Gefühle lassen sich körperlich wahrneh- 
men, insbesondere wenn wir uns auf die 
vier Grundtönungen von Gefühlen, die 
man elementare Gefühle nennen könn- 
te, beschränken: Zuneigung, Freude - 
Angst, Furcht -Ärger, Wut - Trauer, 
Abschiedsschmerz. 

Grundvoraussetzungen für Faires 
Streiten 

sind die Bereitschaft, 

• sich Zeit zu nehmen, um über Schwie- 
rigkeiten miteinanderzu sprechen, 

• sich aufeinander einzustellen und sich 
gegenseitig Bedürfnisse zu erfüllen, 

• eigenes Verhalten in Frage zu stellen 
und zu überprüfen. 

Ich-Aussage 

Kennzeichen einer Ich-Aussage ist die 
Selbstöffnung durch den Ausdruck von 
Gefühlen, Bedürfnissen und Wünschen. 
Es gibt verschiedene Formen von Ich- 
Aussagen - in diesem Buch lernen 
Sie die schwierigste, nämlich die Kon- 
frontierende Ich-Aussage, kennen. 

( -* »Konfrontierende Ich-Aussage«) 


89 


Copyrighted material 


Die wichtigsten Regeln und Begriffe 
von A - Z 


Klärungsgespräch 
Bei einem partnerschaftlichen 
Klärungsgespräch lassen sich drei 
Phasen unterscheiden: 

1. Die Beschreibung des störenden 
Verhaltens und der Bedürfnisse beider 

2. Das Verhandeln über die Verände- 
rung, die stattfinden soll 

3. Das Treffen einer verbindlichen 
Vereinbarung. 

Kommunikationssperre -► Abwehr 
Konflikt 

Zwei Arten von Konflikten sind zu 
unterscheiden: 

• Bedürfniskonflikte aufgrund nicht 
akzeptablen Verhaltens einer anderen 
Person, das Sie in der Befriedigung 
eines Bedürfnisses behindert. Die ande- 
re Person ist trotz Konfrontation nicht 
bereit, ihr Verhalten zu verändern. 

• Wertkonflikte aufgrund nicht akzep- 
tablem Verhaltens, das einer Wertvor- 
stellung von Ihnen widerspricht, Sie 
jedoch nicht in der Befriedigung eines 
Bedürfnisses behindert. 

Konfrontieren 

Sie konfrontieren, um eine andere 
Person zu veranlassen, ein Verhalten zu 
verändern, das Sie in der Befriedigung 
eines Bedürfnisses beeinträchtigt. 


Am wirksamsten konfrontieren Sie, 
wenn Sie: 

• die andere Person nicht in ihrer 
Selbstachtung angreifen, sondern die 
Auseinandersetzung mit einer konfron- 
tierenden Ich-Aussage beginnen 

• bei Abwehr immer wieder umschalten 
auf einfühlendes Zuhören 

• nicht inhaltlich auf die Abwehr ein- 
gehen, sondern bei Ihrem Anliegen 
bleiben 

• erneut Ich-Aussagen machen, bis die 
andere Person selbst eine befriedigende 
Lösung findet, ohne daß Sie Verhaltens- 
anweisungen oder »Lösungen« vorgeben 

Konfrontierende Ich-Aussage 
Mir ihr beginnen Sie eine Konfronta- 
tion. Sie ist am wirksamsten, wenn sie 
drei Teile enthält: 

• die genaue und vorwurfslose 
Beschreibung des störenden Verhaltens 
(sinnlich wahrnehmbare Tatsachen, 
direkte Zitate und konkrete Beispiele) 

• die Beschreibung der spürbaren Fol- 
gen oder Auswirkungen für Sie ( mög- 
lichst anschaulich und nachvollziehbar) 

• die Benennung Ihres Gefühls/Bedürf- 
nisses 


90 


Copyrighted material 


Die wichtigsten Regeln und Begriffe 
von A - Z 


Problem 

Ihr Partner hat das Problem, wenn sein 
Verhalten vermuten läßt, daß seine 
Bedürfnisse nicht befriedigt sind. 

S/e haben das Problem, wenn Sie das 
Verhalten Ihres Partners an der Befrie- 
digung Ihrer Bedürfnisse hindert und 
Sie eine Verhaltensänderung wünschen. 

Wertkonflikt 

Ein Wertkonflikt liegt vor, wenn Sie das 
Verhalten einer anderen Person nicht 
akzeptieren - ohne unmittelbar davon 
beeinträchtigt zu werden. Wertkonflikte 
lassen sich nicht auf die gleiche Weise 


wie Bedürfniskonflikte lösen, weil Sie 
keine konkreten Auswirkungen nennen 
können. 

Wertvorstellungen 
Sie sind unsere subjektive Bewertung 
über das, was gut und richtig ist, was 
»sich gehört« und was »sich nicht 
gehört«. Wertvorstellungen sind häufig 
an dem verallgemeinernden »man« 
erkennbar. Sie sind eine moralische 
Leitschnur, die wir zu einem Großteil 
anerzogen bekommen haben und die 
wir als Erwachsene neu überprüfen soll- 
ten. 


91 


Copyrighted material 


Zum Nachschlagen 


Literatur 

Zur Vertiefung des hiervorgestellten 
Kommunikationskonzepts: 

Linda Adams/E. Lenz 
Frauenkonferenz 
Heyne TB 

Thomas Gordon 
Familien konferenz; 

Neue Familienkonferenz; 

Familienkonferenz in der Praxis 

alle Heyne TB 

(vom selbem Autor auch: 

Managerkonferenz 

Lehrer-Schüler-Konferenz) 

George R. Bach/P. Wyden 
Streiten verbindet 
Fischer TB 

George R. Bach/H. Goldberg 
Keine Angst vor Aggression 
Fischer TB 


Seile. 

92 

bk 



Sherod Miller u.a. 

Gespräche selbstsicher und 

ebenbürtig führen 

mvg 

Michael Lukas Moeller 

Die Wahrheit beginnt zu zweit] 

Die Liebe ist das Kind der Freiheit 
rororo 

Julia Onken 

Das verborgene Glück, Beck 

Friedemann Schulz von Thun 
Miteinander reden I 
Miteinander reden 2 
rororo 

Hai und Sidra Stone 

Wenn zwei sich zu sehr trennen... 

Verlag Simon Leutner 

Tannen, Deborah 

Du kannst mich einfach nicht verstehen 
Goldmann TB 


92 


Copyrlghted material 


Zum Nachschlagen 


Adressen, die weiterhelfen 

Hier einige Hinweise, wohin Sie sich 
wenden können, wenn Sie Faires 
Streiten lernen oder mit fachkundiger 
Begleitung einen Paarkonflikt 
bearbeiten möchten. 

Seminare zur persönlichen Entwick- 
lung und beruflichen Fortbildung: 


Odenwald-Institut 
Trommstr. 25 
69483 Wald-Michelbach 
Tel. 062 07/50 71 

Osterberg-Institut 
Am Hang 

24306 Niederkleveez 
Tel. 045 22/99 29-0 

Mediation e.V. 

Rosenanger 20 
31595 Steyerberg 
Tel. 057 64/12 06 

(Über diese Adresse können Sie auch 
das Infoblatt Mediation erhalten, mit 
einem ausführlichen Adressen- und 

93 


Veranstaltungsteil. Bitte frankierten 
DIN A5 Rückumschlag beilegen) 

Seminare mit Dr. Marshall Rosenberg, 
»Gewaltfreie Kommunikation« 
Organisation für München: 

Isolde Teschner 
Pienzenauer Str. 50 
81679 München 
Tel. 089/98 06 49 
(Auch Skriptversand) 

Partnerschaftsprobleme 

Beratungsstellen von Pro Familia, des 
Diakonischen Werkes, der Caritas oder 
städtische Einrichtungen. Für diese 
Beratung wird gewöhnlich - wenn 
überhaupt - eine Eigenbeteiligung nach 
Selbsteinschätzung verlangt. 

(Adressen siehe örtliches Telefonbuch) 

Auskünfte zu Eheberatungseinrichtun- 
gen in ganz Deutschland erteilt die 
DAJEB (Deutsche Arbeitsgemeinschaft 
für Jugend- und Eheberatung) 
Neumarkter Str. 84 c 
81673 München 
Tel.: 089/436 10 91 


# 


Copyrighted material 


Register 


Ablenken 24 
Abreagieren 22 
Absehwäehen 23 
Abwehr 32. 23 
Abwerten, sich selbst 2B 
Abwertung 19, 23, 25. 27. 53 
Aggression 

- feindselige 29 

- indirekte 80 

- indirekte, Reaktionen darauf 82 

- konstruktive 77, 29 
aggressive Energie 29 
aggressives Verhalten iß 
aktives Zuhören 36, 29 
Anliegen deutlich machen 84 
Ärger 

- als normale Reaktion 24 
-, »alter« 26 

- ausagieren 25 

- ausdrücken 25 

-, übertriebener 25 
-, unkontrollierbarer 22 

- Ursachen für 25 
Aufmerksamkeit 19 

Ausdruck von Gefühlen 21, 22. 58. 24 
Ausdrücken von Wünschen 62 
Auseinandersetzungen 

- ausweichen 24 

- Entstehung von 18 
Auswirkungen störenden Verhaltens 45 

Bach, George R. 22 
Bedürfniskonflikt 45 
Bedürfnisse 

- Befriedigung 14 

- des anderen, wahrnehmen 26 

- eigene, ignorieren Z3 

- gegenseitige Erfüllung 12, 16 

- mitteilen 29, 46, 54 

- Unterschied zu Wünschen 66 

94 


Befehle 20, 24 
Beraten, kompetentes 
Bereitschaft zum Fairen Streiten 11 
Beschreiben von störendem Verhalten 

29,30 

Bestrafen des Partners 23 
Buße 53 

Diskussionen 55 

Dr. Marshall Rosenberg 13, 20 

Du-Botschaften 19, 23, 26, 77 

- Kennzeichen von 25 

- übersetzen 24 f. 

Du-Sprache 19 
Durchsetzen 15 

egoistisches Verhalten 20 
Einfühlendes Zuhören 33, 25 f. 

- Gefahren 40 

- zuviel 41 

Erwartungen, unausgesprochene 15 

Faire Kommunikation, Ziel 19 
Faires Streiten, Grundvoraussetzungen 11 
feindselige Aggression 29 
Forderungen 22 

Formulierungen, abschwächende 29 
Fragen 24 

Friedemann Schulz von Thun 28 
Gefühle 

- abreagieren 72 

- ausdrücken 15, 21 , 22, 58, 71 

- auslösen 71 

- benennen 24 

-, des anderen wahrnehmen 26 
-, des Partners, Umgang mit 22 

- eingestehen 81, 82 
-, elementare 22 

-, Entstehung 23 


Copyrighted material 


Register 


heftige Z5 

-, Umgang mit eigenen 70, ZJ 

- unterdrücken Z8 

- wahrnehmen TI 

-, Zugang zu eigenen ID 
Gegenargumente 34 
George R. Bach TL 
geschützter Rahmen 5ß 
Gespräch, klärendes ZS 
Gleichgewicht 12 

Grundelemente Fairen Streitens 18 f. 
Grundvoraussetzungen für 
Faires Streiten 1 1 

Hai und Sidra Stone ZQ 
Handgreiflichkeiten ZS 

Ich-Aussage 19, 21. 35. 71 
konfrontierende 4Z 

- ohne Abwertung 29, 30 
Ich-Sprache 19, 20 
indirekte Aggression SO 

Killerphrasen 34 
klärendes Gespräch ZS 
Klärungsgespräch, partnerschaftliches 
44, 5ß f. 

- Ablauf SO 

- Regeln 56 
Kommunikation 9 
Kommunikationsmuster 

erlernte 19 
negative 12 

Kommunikationssperre 32. 33. 34 
Konflikt 44 
-, Entstehung 22 

- schüren TL 

- vermeiden 15 

Konfrontationsgespräch 44, 4£ f. 
Konfrontieren 34. 46. 50 

95 


Konfrontierende Ich-Aussage 47 
konstruktive Aggression 77, Z9 

Lösung von Problemen anderer 13 
Lösungsvorschläge, vom anderen 50, 55 

Mitteilen 19 

Moeller, Michael Lukas 84 

Partnerschaft 8, 64 
partnerschaftliches Klärungsgespräch 
44, 56 f. 

- Ablauf 60 
Probleme anderer 13 

Rahmen, geschützter 56 
Reagieren 32 

Reaktionen auf indirekte Aggression 82 
Rechnungen, offenstehende 12 
Regeln fürs Klärungsgespräch 56 
resignatives Verhalten 15 
Rosenberg, Dr. Marshall 13. 20 

Schuldzuweisungen 71, ZJ 
Schulz von Thun, Friedemann Z8 
selbstbewußtes Verhalten 16 
Selbstbewußtsein, eigene Einschätzung 1Z 
Selbstöffnung 21, 22 
Stone, Hai und Sidra ZQ 
störendes Verhalten 44 
-, Auswirkungen 45 

- beschreiben 29 f., 4 1 
Streitstil 8 
Streitthemen 13, 5 1 

Tatsachen beschreiben 30 
Themenwahl 5Z 

Übersetzen 24, 26, 32, 33, 3Z 
Übertreibungen TL 


Copyrighted material 


Register / Impressum 


Umgang mit eigenen Gefühlen, 70, ZI 
Umgang mit Gefühlen des Partners 12 

Verallgemeinerungen 27 , 28 , 34 
Veränderung 
bei mir selbst 12 

- der Beziehung £9 

- Wunsch danach 61, 62 
verbale Verständigung 10 
Vereinbarungen 59, 62 
Verhalten 

aggressives 16 
resignatives 15 
selbstbewußtes 16 
störendes 44 

Verhaltensanweisungen geben 30 
Verhaltensmuster, erlernte 16, 18 
Verhandeln 61 f. 

Verletzungen 59 
Vorbehalte 53 
Vorwürfe 19 

Wertkonflikte 37. 45. 65 
-, flexibler Umgang mit £8 
Wertvorstellungen 45, 65 

- ändern, eigene £8 

- beeinflussen 67 
Widerstand 18 

- gegen Lösungsvorschläge 31 
-, Diskussion darüber 55 
Wünsche 

- ausdrücken £2 

-, gegenseitige Erfüllung von 72 

Zuhören, aktiv 36, 39 
Zuhören, einfühlendes 33, 35 f. 

-, Gefahren 40 
-, zuviel 41 
Zurückspiegeln 37 
Zwiegespräche M 


Biidnachweis: 

Coverfoto 

Tony Stone Bilderwelten / Dan Bosler 

Fotos im Innenteil: 

Fotoproduktion: 

independent, Lucy S. Wiedner 

Fotograf: Bernhard Rohnke 

Assistenz: Michael Mann 

Make-up und Haare: lennifer Mohr für 

Agentur Mierau 

Styling: Christina Neu 

Für die freundliche Unterstützung danken 

wir der Firma Kandis Et KandisMann, 

München 

weitere Fotos: 

Stephan Wagner: Seite 16. 32. 54, 81 


1. Auflage 1994 

© Gräfe und Unzer Verlag GmbH, München 
Alle Rechte Vorbehalten. Nachdruck, auch 
auszugsweise, sowie Verbreitung durch Film, 
Funk und Fernsehen, durch fotomechanische 
Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbei- 
tungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher 
Genehmigung des Verlages. 

Redaktion: Verena Zemme 
Lektorat: Gesa Gunturu B.A. 

Gestaltung: Marcus von Hausen 
Layout, Typografie und Gesamtherstellung: 
Buch Haus. Robert Gigler. GmbH, München 
Druck: Wagner, Nördlingen 
Bindung: VSB, Lohhof 


96 


Copyrighted 


Änderungen und Irrtum Vorbehalten. 


Ratgeber Leben 


Richtig streiten läßt sich ler- 
nen. Konstruktive Lösungen 
zeigt Ihnen dieses Buch. 


Psychologische und juristische 
Hilfe für eine faire Trennung. 


Diese völlig neue GU-Reihe 
bietet mit konkreten 
Fallbeispielen und umfassen- 
dem Dossier praktische 
Lebenshilfe für die Konflikt- 
situationen des modernen 
Alltags. 

Drei Themenschwerpunkte 
machen den Anfang, klar 
erkennbar durch ihre Farben. 
Blau steht für Frauen, 

Rot für Familie und 
Grün für Partnerschaft. 

Jeder Band 

19,80 DM/1 55, -ÖS/20, 80 sfr. 


Copyrighted image 


Copyrighted image 


Tips zur natürlichen Selbst- Berufstätig und Mutter: 

hilfe vor und in den Tagen. praktikable Wege zu einem 

erfüllten Leben. 


Copyrighted image 


Rat und praktische Hilfe für 
die wachsende Familie. 


Mehr draus machen. 

MitGU. 



GRAFE 

UND 

UNZER 


Copyrighted material 


Copyrighted material